Ein wenig Caba ist es ja schon, aber bin ja nicht umsonst hier im Forum: Nur fünf Tage nach dem Rennsteig-Ultra war ich mal wieder bei den Randonneuren am Start. Das sind die Jungs, für die ein Hunderter auf dem Rad eine Spaßtour ist und die erst ab 600 km Streckenlänge so richtig Freude empfinden. Es geht dabei nicht um Geschwindigkeit sondern um Durchhalten und Gleichmäßigkeit. Die Zeitlimits sind auf einen Schnitt von 15 kmh angelegt, so dass bei entsprechender Geschwindigkeit noch eine Mütze voll Schlaf genommen werden oder in einer geeigneten Pizzeria die Speisekarte rauf und runter gefuttert werden kann. Die Prüfungen, Brevets, gehen über 200, 300, 400, 600 und 1000 km. Höhepunkt ist Paris-Brest-Paris mit 1200 km. Daneben gibt es anscheinend einige andere Brevets mit mehr als 1000 km und ordentlich Höhenmetern. Wer mehr wissen will sollte mal unter ARA Audax randonneure allemagne oder beim Karl Weinmann unter <http://www.randonneure.de> nachsehen. Vom Veranstalter gibt es lediglich eine Streckenbeschreibung, alles andere ist selbst mitzuführen und zu organisieren. Alle 2 Jahre wird der Fleche gefahren, eine Sternfahrt in Teams von 3-5 Fahrzeugen (Tandem ist ein Fahrzeug, deshalb könnten bis zu zehn Personen in einem Team sein) nach Eisenach. Die Strecke muss mindestens 360 km lang sein, wird vom Teamkapitän vorher angemeldet und von der Organisatoren genehmigt. Start ist 9.00 Uhr morgens, um 7.00 Uhr am nächsten Tag darf man nicht näher als 25 km am Ziel sein, welches zwischen 8 und 9 Uhr erreicht werden muss. Nachweis über die Absolvierung der Strecke erfolgt wie bei den Brevets durch Stempel an geeigneten Orten wie Tankstellen, Bäckereien oder beim McBlöd. Ich bin direkt von der Arbeit am Mittwoch mit Regionalbahn und ICE (Fahrrad demontieren und Bettbezug drüber) nach Schwabach bei Nürnberg zum Jürgen. Wolfi und Matthias sind erst am nächsten Morgen zu uns gestossen. Stilecht angereist war Frank Trtschka <http://www.ultrasportler.de> mit dem Rad aus Plauen. Wenn irgendwas caba ist, dann der: 200 Stunden nonstop Ergometer. Vize-Weltmeister beim Glocknerman 2009 (1025 km und 16.000 Höhenmeter). Und so weiter. Wenn ich mit diesen Leuten zusammen bin werde ich immer gaaaanz klein. Jürgen und Wolfi sind Paris-Brest-Paris-Finisher, Jürgen besitzt unzählige Räder, darunter 2 Tandems und 2 Liegeräder, davon eins mit Vollverkleidung. Und fährt diese Räder anscheinend auch fast alle regelmäßig. Da ich nach dem Rennsteiglauf zugegebenermaßen immer noch schwerer Beine hatte, bestand meine einzige Chance, den ganzen Trupp nicht zu bremsen, darin, alles möglichst richtig zu machen: Am Abend vorher nicht besaufen. Möglichst viele Nudeln essen (war auch kurz vor der Kotzgrenze), während des Rennens alle 20-30 Minuten was essen, regelmäßig trinken, ab und an eine Salztablette. Keine Spielchen an den Bergen, keine Tempohatz auf dem Flachetappen der ersten 200 km. Da die direkte Route nach Eisenach weniger als 360 km beträgt, müssen wir immer eine Schleife einbauen. Die ging es dieses Jahr in weitem Bogen durch die Oberpfalz. Beim Fleche regnet es immer. Also hatten wir nach einer guten Stunde zum erstem mal die Regenjacken an. Beine bleiben ungeschützt, die sind durch das Treten eh immer warm. So wellerte dich das den ganzen Tag durch, Regen wurde immer schwächer, nur der lästige Gegenwind ging uns gehörig auf die Nerven. Zum Glück für mich war ich nicht das schwächste Glied der Kette: Matthias kämpfte sich mehr schlecht als recht jeden Berg hoch und bescherte uns die eine oder andere Pause. In Kronach (?) war er gar unbewusst so weit zurück, dass er unser Abbiegen nicht bemerkte und geradeaus weiter donnerte. Wir standen derweil an der Dönerbude und füllten Brennstoff nach. Telefonisch meldete er sich kurz Zeit später und sagte, er wolle alleine bis Sonneberg durchfahren um uns dort wieder zu treffen. Gegen Zehn Uhr abends und nach einer größeren Panne die sich um einen Kettenabwurf, ein verbogenes Ausfallende und eine große Wasserpumpenzange drehte, erreichten wir nach längerem Suchen eine Tankstelle in Sonneberg und droschen wahllos Schokoriegel, Bifi-Salami und Cola in uns rein. Wieder zu fünft ging es dann bei Nacht in die Steigungen des Thüringer Waldes über Lauscha nach Neuhaus am Rennweg, welches wir um Mitternacht erreicht hatten. Dort kurzer Plausch mit einer anderen Gruppe, welche schon einen Mitfahrer verloren hatten. Hatten wir gehofft, von dort aus nur berab radeln zu dürfen, wurden wir nach einer kurzen Abfahrt wieder eine mächtige Rampe nach Gräfinau-Angstedt hoch geschickt. Next Stop sollte Gotha sein, exakt 95 km hinter Sonneberg und dazwischen etliche Höhenmeter. Das Radeln durch die Nacht macht mir immer viel Spaß und nach hinten raus bin ich meist auch relativ stark. Die einzige Angst war, dass ich die Gänge meines Rennhobels berghoch nicht mehr locker genug hätte treten können. Alle anderen fahren nämlich vorne 3fach oder Kompaktkurbel und ich Rennübersetzung. Ging dann aber mit einigem Würgen doch und kurz vor 4.30 Uhr morgens erreichten wir den Mc in Gotha, tankten Junkfood nach und konnten im Vorraum einer VR-Bank noch eine Stunde Schlaf nehmen. 6.15 dann Wecken und zur nächsten Bäckerei. Dort wieder Treffen mit einer anderen Gruppe, darunter zwei Fixie-Fahrer. Beide konnten aber den Spaßfaktor einer solchen Reise mit dem Fixie nur noch sehr eingeschränkt empfinden. Sieben Uhr morgens dann los, 25 km bis Eisenach und dann die mörderische Rampe zur Wartburg hoch. Insgesamt waren 53 Teams am Start, die maximal gefahrenen Kilometer liegen wohl irgendwie bei 550. Unser Team hatte am Ende genau 400 km auf dem Tacho. Im Ziel auch etliche Liegeräder, uralte Stahlrahmengeschosse und sogar ein Tandem. Nur so ganz glücklich sah der Beifahrer nicht mehr aus. Liebe Grüße vom Jimmi