<font size="200">3. Grand Trail Du Nord 2010 (147km / 1300Hm)</font>Ungefähr mit Kilometer 50 begannen die Schmerzen, und mit den folgenden sollten sie schier unerträglich werden… Ich hatte im Laufe der letzten sportreichen Jahre ja einiges an „Erfahrungen“ in diesem Bereich gesammelt und auch gewisse Vermeidungs- und Ablenkungsstrategien kennengelernt. Der Reihe nach versuchte ich mich an allem Möglichen. Ablenkung, der Blick auf die Felder, das unbekannte Land, SMS schreiben, Willenskraft, um noch durchzuhalten. Psychotricks wie mein gestriges Stoppschild hatten bis etwa Kilometer 70 Erfolg… Ich versuchte Gespräche mit den Mitstreitern. Immer wieder Nahrungsaufnahme. Nichts hatte Erfolg. Die Schmerzen bohrten sich immer wieder mit unglaublicher Vehemenz zurück in mein Hirn, wie es nur der Körper schafft, wenn er sich meldet, um auf den nahenden Zusammenbruch hinzuweisen. Das reine Ignorieren funktionierte auch nicht, zu stark waren die Signale geworden. Ich wusste, ich musste durchhalten. Das war ich meinen Mitstreitern schuldig. Alles andere wäre nicht akzeptabel gewesen, und diese Art von Gruppenzwang hielt mich einigermaßen aufrecht. Die nächsten fünf Kilometer waren die Hölle. Selten in meinem Leben wurde meine Willenskraft und mein Durchhaltevermögen dermaßen auf die Probe gestellt wie in dieser Zeit in Frankreich…: der Busfahrt zum Start. An das meiste hatte der Veranstalter gedacht, und was er nicht bereitstellte, das hatte ich dabei. Das einzige was es nicht gab, war eine Toilette in diesem verdammten Bus! Wie üblich hatte ich mich natürlich vollgeschüttet mit Wasser vor dem Start, und jetzt, beim Transfer zum Start platzte mir schier die Blase. Als wir endlich da waren, nach mehreren vergeblichen Versuchen des Busfahrers, die Sporthalle zu finden und mehreren äußerst ruckeligen Buswendemanövern rannte ich panikartig ins Freie, um mich dann mindestens drei Minuten lang zu erleichtern… Schlimmer konnte es eigentlich nicht mehr kommen… [attachment=18]Posse.JPG[/attachment] [attachment=15]JimmiSobraemml.JPG[/attachment] [attachment=14]Roland.JPG[/attachment] [attachment=13]Loki.JPG[/attachment] <font size="150">Der Start</font>Gestartet wurde am Strand, ein wunderschöner Sandstrand, sicher 200 Meter breit, so was kannte ich bisher nur von den ostfriesischen Inseln wie Juist. Das kleine Grüppchen von Läufern, ca. 170, verlief sich hier ein wenig, und durch das schlechte Wetter waren auch kaum Zuschauer dort. Ich war jedenfalls froh, endlich hier zu sein, denn die letzte Stunde hatten wir in einer stickigen Gymnastikhalle mit Umziehen und Briefing verbracht. Wie immer bei solchen Briefings, vor allem bei Wettkämpfen im unbekannten Terrain wie dieser Ultra, nahm ich alles genau auf, aber fühlte mich irgendwie fehl am Platz. Was hier schon wieder für Typen unterwegs waren. Dünn bis ausgezehrt, viele nur Haut, Knochen und Muskeln. Die Materialschlacht bei Triathlonwettkämpfen ist sicher nicht zu überbieten, aber auch hier wurde geklotzt… Gamaschen für die Schuhe, Regenponchos, Kompressionssocken, Walkingsticks, Klamotten, Lampen etc. alles wurde präsentiert. Ich weiß, die Optik zählt nicht, aber in solchen Momenten frage ich mich dann schon, wie ich da eigentlich mithalten soll. Ich hatte meine normalen Jogging-Straßenschuhe dabei, Regen stört mich nicht also nix Poncho, Stöcker, Gamaschen und ähnlicher Kram befindet sich nicht mal in meinem Besitz und wie immer hatte ich mindestens 7 Kilo zu viel auf den Rippen…Auf der Habenseite stand allerdings mein Trainingsplan und die Trainingsdisziplin der vergangenen Wochen, mit teilweise 130 Wochenkilometern. Und natürlich der Hut der Macht… aber wie es immer ist, Bange machen gilt nicht und abgerechnet wird zum Schluss. [attachment=17]Strandstart.JPG[/attachment] [attachment=16]Briefing.JPG[/attachment] Das Grüppchen Deutscher, insgesamt 11 an der Zahl, fand sich recht schnell zusammen. Außer uns Vieren gab es noch ein sehr witziges Pärchen aus Mainz und ein paar Einzelstarter, unter anderem Wolfgang, mit dem ich weite Teile des Rennens bestritt. DV behauptet ja immer, die Ultras sind ein ganz kleiner Haufen, die sich zumeist auch noch untereinander kennen und langsam kann ich das nachvollziehen. Im strömenden Regen standen wir da und verpassten vor lauter Quatschen beinahe den Start… Die Franzosen zählten rückwärts und schon gings ab…
Die erste Etappe, 15 km, bis Check Point (CP) 1 waren fast nur Strand und Dünen. Es goß weiter wie Sau, aber Spaß machte es trotzdem. Zum Laufen ein schwieriges Gebiet - Matsch, Schnee und sonstige Unwegsamkeiten bin ich ja gewöhnt - aber Sandstrand und Dünen gab es bisher ziemlich selten. Blauäugig wie ich war, hatte ich mir eigentlich ein Tempo von 6 Minuten pro Kilometer und nicht mehr als maximal 150 Puls vorgenommen, eher 130-140. Ich wollte den Lauf ja mit möglichst wenig Gehpassagen schaffen. Aber das war völlig utopisch. Durch die Dünen bin ich teils mit 165er Puls und das bei extrem langsamem Tempo. Ausgebremst wurde ich Gott sei Dank noch von den anderen Läufern, denn überholen war auf den Singletrails über weite Strecken nicht drin. Dafür gab‘s viel zu gucken, überall lagen noch Teile alter Bunkeranlagen am Strand und den Dünen und die Landschaft war einfach schön.
Meine Gruppe hatte ich jetzt schon verloren, und ich war fest davon überzeugt, dass ein Großteil des Feldes vor mir war, deshalb gab ich Gas, ich wollte schließlich meine Leute wieder einholen. Hier traf ich auch wieder auf Wolfgang. Er rannte mit einer Deutschlandfahne am Rucksack vor mir her und zog mich - schließlich konnte ich mich von nem alten Mann nicht abhängen lassen… ;-) Irgendwann hatten wir dann die Dünen hinter uns näherten uns CP 1. [attachment=12]Dünen1.JPG[/attachment] [attachment=11]Dünen2.JPG[/attachment] <font size="150">Der lange Weg</font>Bei meiner Vorbereitung auf den GTN hab ich mich drauf eingerichtet, möglichst ohne Verpflegung klar zu kommen, da nicht klar war ob und wann es was geben würde. Deshalb hatte ich den ganzen Rucksack voll mit Sportgels und Riegeln, um möglichst autark die 150 km hinter mich zu bringen. Bei den meisten anderen war das aber wohl anders. Was an CP 1 abging war nicht mehr schön. Der größte Teil des Feldes stand hier um einen kleinen Tresen versammelt und stopfte nach 15 km (!!!) Zeug in sich rein, als ob es kein Morgen gäbe. Es standen bestimmt 20 Läufer hier rum. Egal, dachte ich mir, die Trinkblase ist voll, das Frühstück liegt noch gut im Magen, also ein Stück Schoki geschnappt und weiter, die Landschaft genießen. Die Dünen wurden von leicht hügeligem, grünem Land abgelöst und wir waren ab hier auf Wirtschaftswegen unterwegs.
Kurz darauf lief dann wieder Wolfgang auf mich auf, den ich wohl auch an CP 1 hinter mir gelassen hatte. Ab hier verbrachten wir dann die nächsten 100 Kilometer miteinander und ich wurde eingeweiht in die große kleine Welt der Ultraläufe und was es so alles gibt an verrückten und vor allem langen Läufen auf dieser Welt. Ich musste dann dem hohen Anfangstempo ein wenig Tribut zollen, denn ich war phasenweise ziemlich k.o. Also gegessen, das Tempo ein wenig gedrosselt und weiter ging es. Mit Unterhaltung war es eh ein wenig leichter, aber vielleicht hätte ich mir über das hohe Tempo schon ein wenig Gedanken machen sollen, als mir Wolfgang so nebenbei erzählte, er hätte eine Woche zuvor den Berlin Marathon bestritten, hätte sich dabei aber ein wenig zurück gehalten. Ich bin nur froh, dass er mir erst Stunden später auf Nachfrage erzählte, dass ein zurückhaltender Marathon eine Woche vor nem 150 k Ultra bei ihm mit 3:17 h gefinished wird. Unglaublich. Ich hätte wahrscheinlich sofort den Hut der Macht überreicht, hätte ich das gewusst.
Nach CP 2 wurde es dann langsam dunkel. Die CPs waren ausgestattet mit Wasser, allerlei Riegeln, Schoki, Obst, teilweise Suppen, Brot und ähnlichem. Leider gab es keine Isogetränke, und Cola war auch rar… Später hörte ich von Roland, dass die Verpflegungen schon ordentlich abgeräumt waren, als die Jungs vom Feldende sich hier einfanden. Das ist natürlich blöd auf so einem Lauf. Ab diesem CP hielt uns Wolfgangs Frau Marion auf dem Laufenden zu den Platzierungen und hielt uns mit Salzkartoffeln und ähnlichem bei Laune. Sie steuerte das ganze Rennen über jeden CP an - und das ohne Navi und in unbekanntem Land. Auch eine ordentliche Leistung. Ungefähr hier meinte Wolfgang dann irgendwann, dass wir so auf Platz 28/29 liegen. Ich konnte es nicht glauben, und dachte mir, dass seine Frau das Hauptfeld verpasst haben muss oder so. Auch war ich immer noch davon überzeugt, dass meine Gruppe vor mir lief. Wie dem auch sei, ich schrieb noch eine kurze SMS für den Verteiler von Leuten, die mich durch das Rennen „begleiteten“ und wir machten uns bewaffnet mit unseren Stirnlampen auf, um noch ein paar Kilometer zu fressen. <font size="150">Durch die Nacht</font>
Hier ungefähr gesellte sich noch ein Franzose zu uns, der einen Teil der Nacht mit uns laufen würde. Die Unterhaltung lief meist auf Englisch, da aber das Englisch der Franzosen schlecht ist und mein Französisch etwas eingerostet, schnauften wir meist so nebeneinander her. Und ungefähr hier gingen auch die Schweinereien los, die der Veranstalter noch in petto hatte. Ab Kilometer 57, mittlerweile war es stockduster, ging es teilweise über frisch gepflügte Felder… Obwohl das Laufen mit Stirnlampe seinen ganz eigenen Reiz hat, sieht man aber eben nicht wirklich viel. Es gab immer wieder Leuchtpfeile, die die Richtung weisen sollten, aber was tut man, wenn man an einem Weg steht, es geht nach rechts und links weiter, der Pfeil zeigt aber geradeaus - mitten ins Feld? Und die Orga hat noch gewarnt, dass mitunter die Pfeile verdreht werden. Wir standen unschlüssig herum und versuchten uns als Fährtenleser. Immerhin war sich der Franzose sicher, dass es über das Feld weitergeht. Und siehe da, nachdem wir sicher nen halben Kilometer durch Furchen getapst sind, fanden sich auch ein paar neue Pfeile und Knicklichter. Liebe Orga, das kann man besser machen! Hätten wir nicht den Franzosen gehabt, wären wir sicher einige Kilometer falsch gelaufen. [attachment=10]Acker.JPG[/attachment] Das nächste Übel lauerte so bei Kilometer 65. Als ob es durch Regen und Schlamm nicht schon schwierig und nass genug wäre, mussten wir noch durch einen kleinen Fluss. Find ich ja meist ganz lustig, bis zu den Knien im Wasser zu stehen, aber diese Art von Läufen enden dann meist auch mit Kilometer 20. Hier hatten wir noch mehr als die Hälfte vor uns. Ich habs sportlich gesehen und mich über die Kühlung meiner Füße gefreut, die sich durchaus schon zu Wort meldeten. Und es waren ja nur noch 10 km bis zur Hälfte, hier lag mein Wechselbeutel mit neuen Socken und Schuhen bereit. [attachment=9]Abseilen.JPG[/attachment] CP 4 lag in einem netten kleinen mittelalterlichen Dörfchen, in dem außer uns Läufern keine lebende Seele auszumachen war. Immerhin haben sie uns das Licht angelassen… Und endlich mal ein wenig Abwechslung für das Auge. Hier, glaube ich, hab ich dann auch geschnallt, dass es Namenslisten der Teilnehmer gab, die hier „gecheckt“ wurden. Und endlich kam auch bei mir durch, dass meine Gruppe ein ganzes Stück hinter mir laufen musste, und vor allem, dass die von Marion genannten Platzierungen stimmen mussten. CP 5, Halbzeit… Es war kurz vor halb eins in der Nacht, und hier gönnten wir uns mal ein wenig Pause, wir blieben so ca. 20 Minuten. Ich aß und trank, erfreute mich an einem Schokoriegel und an einer österreichischen Brause, die ich extra für diesen Zeitpunkt im Wechselbeutel hatte. Und ich entschied mich, nur frische und vor allem trockene Socken, aber keine neuen Schuhe anzuziehen. Die Schuhe, die ich an hatte, waren schon diejenigen, die den Füßen den meisten Platz bieten und alles andere wäre wohl nicht gut gegangen… Also, die Blasen ignoriert, Socken drüber und die Zähne zusammengebissen. [attachment=8]CP.JPG[/attachment] Hier nach der „netten“ Erholungszeit wieder aufzubrechen fiel schwer, zumal jetzt die schwerere Hälfte an stand: Ab hier folgten ein Großteil der angekündigten 1.300 Höhenmeter. Aber es half nix, wir wollten ja ankommen und die gegenseitige Motivation wirkte. Zusätzlich motivierten mich auch die zahlreichen SMS, die ich von meinen Supportern aus Deutschland (und natürlich Holland, danke für den Hinweis, Maaike!) erhielt, teilweise die ganze Nacht durch! Vielen Dank nochmals auf diesem Wege, es hilft wirklich, wenn man sein Leiden (mit)teilt. Der Franzose hatte sich wieder nach vorne abgesetzt, also ging es zu zweit weiter. Der Weg zum nächsten CP war relativ unspektakulär, viele Felder, wieder Wirtschaftswege und zum Teil an der Autobahn entlang. Zumindest wieder ein wenig Ablenkung. Es waren nach dem Roadbook ungefähr 10 km, die sich aber doch zogen. Wir brauchten allerdings knappe 2 Stunden für die Strecke und das sollte erst der Anfang sein, denn die nächsten zwei Etappen zogen sich jeweils über 20 Kilometer hin... Wenn ich mir meine Pulsuhr-Aufzeichnungen jetzt ansehe, habe ich in dieser Etappe wohl am meisten geschwächelt und die längste Zeit pro Kilometer gebraucht. Kam mir gar nicht so vor, aber dafür hab ich ja auch meine Pulsuhr und den Laufsensor dabei gehabt. Das Ding war übrigens erstaunlich genau. Hatte am Schluss 500 Meter zu viel auf der Uhr, und die kamen wohl von den gelaufenen Umwegen. [attachment=7]Wolfgang.JPG[/attachment] Wie dem auch sei, CP 6 kam und ging unspektakulär, und danach kamen wir auf meine persönliche „Königsetappe“, weil ich hier mit am meisten gelitten habe. 20 Kilometer, die kein Ende nehmen wollten. 20 Kilometer, die ansonsten eine völlig normale Trainingsdistanz darstellen, haben mich hier völlig mürbe gemacht. Es gab zwar ein wenig Abwechslung, weil die Strecke an einem Funkturm auf einem Hügel entlanglief, nur sah man diesen Turm schon von 8 Kilometern Entfernung und hatte subjektiv das Gefühl, dass man keinen Schritt näher kommt… Es war wie im schlechten Traum, immer weiter laufen, durch die Dunkelheit, und dem Ziel kein bisschen näher kommen. Immerhin, das ganze Ding lag in einer Art Naturschutz-oder Ausflugsgebiet, was mich dann wieder an meine Trainingsstrecken erinnerte. In soetwas war ich trainiert, da bin ich gut, leichte Hügel und Trails. Allerdings hatte ich die Rechnung kurzfristig ohne meine doch recht glatten Straßenschuhe gemacht, und legte mich irgendwann kolossal auf die Nase. Mir zog es grad die Beine weg und mit 90 Kilometern in den selbigen, ist auch nicht mehr viel mit grazilen Ausgleichsbewegungen. Ist allerdings nichts passiert, aber ich konzentrierte mich mal wieder etwas auf die Strecke und vermisste das erste Mal meine Trailschuhe… Was folgte, waren knackige An-und Abstiege über den sogenannten Mont Noir. Es ließ sich alles machen, aber zu diesem späten Zeitpunkt im Rennen schon sehr heftig, und ich war mal wieder froh über meine Erfahrung in Hindernis- und Crossrennen. Das kam mir hier zugute. Immerhin vergingen Zeit und Kilometer so ganz gut… Irgendwann liefen wir CP 7 in Bailleul an… Halleluja. 105 Kilometer. Das erste Mal in meinem Leben ein Hunderter… Das war schon ein geiles Gefühl, zumal mir erstmals aufging, wie schlecht es den Athleten um mich herum teilweise ging. Die einen lagen im Feldbett, die anderen pennten gleich auf dem Stuhl ein, diverse ließen sich von den Sanis behandeln. Marion erzählte später, das einige an den CPs zusammengebrochen sind, kotzten und ähnliches… Solche Szenen sind mir erspart geblieben - das wäre sicher auch nicht unbedingt der Lauflust zuträglich gewesen. Kurz vorher kam dann auch die SMS von Jimmi, dass er das Rennen zur Halbzeit abgebrochen hat. Schade, aber Du hast Dich wacker geschlagen.
Weiter ging es dann, weiter zu zweit, wieder ca. 20 Kilometer. Immerhin konnte man langsam erahnen, dass es bald hell werden würde. Und es ging nach Belgien. Die Grenze hätte ich sicher verpasst, wenn mich mein Handyprovider nicht immer wieder mit Tarif-Info-SMS daran erinnert hätte… Ist also manchmal doch zu was gut. Nur der arme Wolfgang musste wohl ein wenig leiden, weil er irgendwann meinen andauernden SMS-Ton-Gong nicht mehr hören konnte. Tja, Pech gehabt, mein Lieber. Ansonsten war es so, dass ich die meisten, selbst nur leichten Anstiege schon nicht mehr joggen konnte. Bei der geringsten Belastung hatte ich nen Atemrhythmus von einem Atemzug auf zwei Schritte, das gibt’s sonst nur bei Sprints. Der Körper ging also merklich an die Reserven. Immerhin hatte mir der fehlende Schlaf nichts ausgemacht, hier machten sich wohl die Nachtdienste bemerkbar. Zumindest für Ultras sind die also gut ;-) Da ich immer wieder Gehpausen brauchte und das Tempo von Wolfgang merklich nicht mehr mithalten konnte, schickte ich ihn dann irgendwann vor. Er tat zwar sein Möglichstes, mich zum Laufen zu bringen, aber es ging erstmal nix mehr. So richtig wollte er sich dann auch nicht trennen, aber es hatte keinen Zweck. Wollte ich sein Tempo laufen, hielt ich das nur wenige Minuten durch, und er hatte noch genug Körner, um weiter zu joggen. So trennten sich dann bei Kilometer 120 unsere Wege. Immerhin hat der zähe Bursche noch ne ganze Stunde auf mich herausgelaufen und sich Platz 4 in der Gesamtwertung gesichert. Meinen Glückwunsch! Ich nutzte die Pause für eine ausgiebige Mahlzeit, auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt meine Gels nicht mehr sehen konnte. Das süße Pappzeug. Bei Trias hab ich kein Problem damit, aber hier wars dann echt langsam zu viel! [attachment=6]Landschaft.JPG[/attachment] Belgien unterschied sich ansonsten nicht viel von Frankreich, bis auf die Orts- und Straßennamen und kurz darauf lief ich bei CP 8 ein. Da ich satt war, ließ ich nur kurz meinen Namen notieren und machte mich gleich wieder auf die Socken. Das erntete dann ziemlich große Augen bei den Athleten, die es sich dort gemütlich gemacht hatten, und ich kassierte nochmal mindestens 4 Plätze ein… Dann kam definitiv langsam die Sonne raus und kündigte den neuen Tag an.
<font size="150">Sonntag</font>Der Weg allerdings wurde hier immer mieser. Man lief in sicher 15 cm tiefen Furchen und ich hatte beim Laufen ständig das Gefühl, dass ich mit den Füßen hängen bleiben würde sobald ich nicht absolut grade mit dem Fuß aufsetzte. Das mit den Füßen war mittlerweile eh relativ, denn die Schmerzen waren beachtlich geworden. An Joggen war hier nicht zu denken, wenn ich nicht einen ordentlichen Sturz und noch mehr Schmerzen riskieren wollte. Zumindest sorgten diese Kollegen dann für Abwechslung: [attachment=5]Viecher.JPG[/attachment] Nach mir hatten sich nach dem letzten CP zwei Franzosen aufgemacht, die allerdings auch nur spazierten. Trotzdem - und zu meinem Erstaunen - holten sie recht schnell auf. Später erzählte mir jemand, dass der gestandene Ultraläufer auch das schnelle Gehen übt und so war es wohl. Im Gehen überholten sie mich und wenn ich wieder lief, kassierte ich sie wieder ein… Ein Schneckenrennen der besonderen Art. Nach dem zweiten Mal hatte ich dann allerdings die Faxen dicke, und als ich wieder Asphalt unter den Füssen hatte, zwang ich mich zum Laufen, und weg war ich… Nun folgte der französisch-belgische Grenzfluss, die Deule, und damit das Langweiligste und Zäheste, an das ich mich in meinem Läuferleben erinnern kann. 20 grottenlangweilige Kilometer, mehr oder weniger geradeaus an nem Fluss mit lauter lustigen Sonntagsspaziergängern und Radfahrern. Die absolute Tristesse…Es war das erste und einzige mal in diesem Rennen, an dem ich bereute, meine Musik nicht dabei zu haben. Immerhin lief ich und konnte auf meinem persönlichen Feindradar immer wieder Athleten vor mir ausmachen, die sich unterhaltend in Zweiergruppen Richtung Ziel gingen. Denen würde ich es zeigen. Und tatsächlich, einer nach dem anderen wurde überholt und abgefrühstückt… Gott sei Dank kann ich kein Französisch, da kam ich nicht in die Versuchung, mit denen zu quatschen und zu gehen. Ich sah tatsächlich viele wieder, die mich im Laufe des Rennens überholt hatten, auch der Franzose, der nachts länger mit uns gelaufen war. Ich glaube, hier machte ich die meisten Platzierungen gut, ich habe sicher noch 10 Läufer hinter mir gelassen. Am meisten motivierte es mich, wenn ich nach dem Überholen den Antritt des Überholten hörte, der versuchte an mir dran zu bleiben. Da kam dann wieder der Triathlet in mir durch, und irgendwie musste ich mir ja die Zeit vertreiben…
<font size="150">Am Ziel</font>Der letzte CP, Nummer 9, wurde passiert. Die Streckenmarkierungen und Entfernungsangaben passten mittlerweile überhaupt nicht mehr, so dass ich leider keine Ahnung hatte, wie lange sich das ganze noch hinziehen sollte, was es nicht einfacher machte. Ich war dann zum Ende heilfroh, als ich endlich den Kirchturm von Wambrechies sah, der das definitive Ende darstellen sollte. [attachment=4]ZielRobesard.JPG[/attachment] [attachment=3]Zielkanal.JPG[/attachment] Ich hätte auch nicht gewusst, wie weit ich auf meinen Füßchen noch gekommen wäre und insgesamt hatte mein Organismus auch keine Lust mehr. Erstaunlicherweise waren selbst die Gehpausen keine Erholung, es war einfach nur noch alles anstrengend. Zum Vergleich: Die letzten 27 Kilometer lief ich in einem „gewaltigen“ Schnitt von 9 Minuten pro Kilometer. Und ich kam mir echt schnell vor… Der absolute Horror.
Endlich dann der Zieleinlauf und die Qual hatte ein Ende. Es ist doch immer wieder erstaunlich, was der Körper so alles aushält. Begrüßt wurde ich vom Veranstalter persönlich, den Roland und ich am Vortag beim Check-in schon kennengelernt haben. Ganz netter Kerl, und spricht vor allem Englisch. (Sorry, das Video ist etwas verwackelt, ich glaube, die Kamera kommt nicht ganz klar, wenn sie keinen Fokus hat)
Und hier erwartete mich dann auch schon ein grinsender Wolfgang, der schon geduscht und entspannt beim Essen saß. Er erzählte mir dann ganz stolz, dass er Fünfter geworden ist und eine Stunde vor mir da war (der erste hat wohl nen CP ausgelassen, und bekam 3 Strafstunden, trotz dessen ist er immer noch auf dem 4. Platz gelandet). Ich habe mir dabei nix gedacht, denn beim Triathlon finishen in einer Stunde wahrscheinlich ungefähr 5000 Athleten, aber später beim Essen meinte er dann, dass ich sicher noch in den Top 10 gelandet bin, es sei kaum noch einer nach ihm ins Ziel gekommen… Ich wurde ein wenig stutzig, humpelte zur Orga und siehe da: Ein unglaublicher 7. Platz bei meinem allerersten Ultra! Nicht zu fassen. Es starteten 160 beinharte Kerle und Frauen, ca. die Hälfte gab auf, und ich werde Siebter. Der Hammer. [attachment=0]Danach.JPG[/attachment] Die nächsten Stunden verbrachte ich nach ausgiebiger Dusche im Zielbereich, um den Rest unserer Truppe zu empfangen. Ich traf mich mit Jimmi und gemeinsam bekamen wir dann noch ein paar Finisher zu sehen, aber auch viele echt fertige Athleten. Das, was Marion uns schon beschrieben hatte, spielte sich dann im Zielbereich wieder ab. Ich sag nur Blut, Schweiß und Tränen. Dagegen war ich echt noch fit und fühlte mich gut. [attachment=2]Folgen....JPG[/attachment] Ich konnte es mir dann später nicht verkneifen, noch ein kleines Video für Roland aufzunehmen der am Vortag meinte, ich solle es mir bloß nicht einfallen lassen, ne Stunde vor ihm und am besten noch satt und geduscht im Ziel auf ihn zu warten. Roland, das hier ist für Dich:
Und hier kommt dann noch das Roland´sche Finishervideo. Bis er wieder Lust zum lachen hatte, dauerte es wohl ein wenig…
[attachment=1]Roland danach.JPG[/attachment] Jetzt, zwei Wochen später habe ich den Lauf immer noch in den Knochen, aber ich denke schon wieder etwas positiver. Wie es immer so ist, im Wettkampf kann man sich kaum vorstellen, das ganze noch mal zu machen. Aber dann ist man regeneriert und weiter geht’s. Nichts desto trotz wird es trotz anderer Planung nächstes Jahr nur einen großen Wettkampf geben, entweder den Norseman, oder den Ultratrail Mont Blanc. Die Punkte für den Mont Blanc werde ich haben, und die sind zwei Jahre gültig…Also spätestens 2012 sollte es klappen. Auf jeden Fall hat dieser Lauf Spaß gemacht und ich habe einige lustige und sehr angenehme Menschen kennen gelernt. Und nun bin ich auch ein Teil der Ultra-Gemeinde, die ich ja bisher immer ein wenig beneidet hab. --------------------------------------------------------------------------------------------------- Für die Statistik: 158 Starter 86 Finisher Ca. 13000 Kilokalorien ( Bei 10000 hat meine Uhr aufgehört zu zählen…);-) Start: Leffrinkouke->CP1: Ghyvelde: 15,3 km; 1:43h; Puls:148; Pace: 6,46 min/km CP1->CP2: Bergues: 21,8km; 2:20h; Puls 151; Pace: 6:25 CP2->CP3: Whormout: 15,7km; 2:13h; Puls 141; Pace: 8:31 CP3->CP4: Cassel: 15km; 2:05h; Puls 142; Pace: 8:20 CP4->CP5: Terdeghem: 5,2km; 0:44h; Puls 130; Pace: 8,32 CP5->CP6: Godesvaervelde: 11,9km; 1:56h; Puls 128; Pace: 9,46 CP6->CP7: Bailleul: 19,7km; 3:03h; Puls 123; Pace: 9,16 CP7->CP8: Belgique: 15,9km; 2:32h; Puls 119; Pace: 9,33 CP8->CP9: Deulemont: 16,4km; 2:32h; Puls 120; Pace: 9,18 CP9->Ziel: Wambrechies: 10,3km; 1:29h; Puls 125; Pace: 8:44