„Boooom, Boooom, Boooom….“ Die Discoboys pumpen ihre Bässe in meine Ohren, sie nehmen allerdings nicht ganz mit der Geschwindigkeit meines Pulsschlags auf. „I came for you…“ Und nicht nur einer. Tausende. Die Musik ist fast nicht mehr zu hören, so laut ist es. Mir ist schwindelig. Der Blick auf den Pulsmesser bestätigt es, ich laufe voll im roten Bereich, 175. Trotzdem. Ich würde in diesem Moment nirgendwo anders sein wollen als genau hier. Zwischen diesen tausenden ausflippender Menschen, den Rufen, Klatschen, der La-Ola und den Fahnen, Tröten und was sonst noch Lärm macht. Einige haben Kochtöpfe dabei…Und selbst für mich als altem Rocker wird Scooter wird hier zu einem guten Freund… „I feel Hardcore…“ Genau so ist es. Genau so. Ich bin am Solarer Berg. Nichts hat mich auf diesen Anblick vorbereitet, er kam unerwartet. Im einen Moment pedaliert man kontrolliert vor sich hin, immer die Uhr im Auge um regelmäßig zu Essen, immer den Puls im Blick um ja nicht zu überpacen, gefangen im eigenen kleinen Mikrokosmos des Wettkampfes und dann das. Eine Kurve, und dann ein Anblick, wie ihn Worte kaum fassen können, und Bilder höchstens darstellen, aber nicht diese Emotionen wiedergeben. Ein Anstieg, eine Gasse, die immer schmaler wird, gesäumt von Menschen die völlig ausrasten. Und ein Höllenlärm. Der Mikrokosmos ist weg, der Puls fast sofort auf Anschlag, das Grinsen reicht fast bis zu den Ohren, und es treibt mir die Tränen in die Augen. Dieser Anstieg allein rechtfertigt die Qualen, durch die man sich monatelang schleppt um überhaupt hierhin zu kommen. Und er ist der Grund, warum so viele überhaupt motiviert sind, sich durch eine Langdistanz zu quälen. [attachment=10]Solarer Berg.JPG[/attachment] [attachment=9]La Ola.JPG[/attachment] <font size="150">Schwimmen</font>Mich persönlich versöhnt er mit dem miesen Schwimmen das heutigen morgens. Ich habe heute viel Prügel kassiert, bin in ewig langsamen Schwimmgruppen gelandet, meine Lunge pfiff wegen meiner Erkältung wie ein alter Kessel, ich bin etliche Meter mehr geschwommen um mich aus dem gröbsten rauszuhalten und im Verlauf der 3,8 km bin ich von vielen nachfolgenden Startgruppen überholt worden. Deprimierend. Schwimmen wird zumindest nicht mehr mein Freund in diesem Leben. Das Ergebnis: 1:20…8 Minuten langsamer als in Frankfurt, und das auf der leichteren Schwimmstrecke. [attachment=7]Kulisse.JPG[/attachment] Die Laune besserte sich allerdings schnell als ich im Getümmel nach dem Ausstieg Pflegefall und Pride gesehen habe. Sehr geil. Die Jungs sind die Nacht durchgefahren, um pünktlich zum Schwimmstart dort zu sein und den Tag zu genießen. Jungs, ich hab mich echt gefreut und es war total motivierend das Ihr da wart. [attachment=8]Erkannt!.JPG[/attachment] <font size="150">Rad</font>Wie immer nach dem Schwimmen gings dann mit Monsterpuls in die Wechselzone, und danach aufs Rad. Hier sah ich dann gleich meine bessere Hälfte, was mir noch mal einen Schub gab. Und siehe da, auf dem Rad lief es gut…Erst mal ausgiebig gegessen und getrunken, und dann ab die Post. Die Beine waren gut, die Lunge machte mit, und ich hatte auch keine Luftnot wie im Wasser. Nach ein paar Kilometern fanden sich dann wie immer einige „Mitfahrer“ mit ähnlichem Tempo. Ich hatte strikt vor nach Puls zu fahren, 155 sollten das Maximum sein, aber es dauerte sicher 30 Kilometer bis ich in der Range war, und zwar von oben her…Doch es lief Top. Nach 90 Kilometern zeigte meine Uhr 2:32 an. Unglaublich. Eigentlich wollte ich mich bis Kilometer 120 etwas zurückhalten, aber ich hatte auch nicht das Gefühl, das ich mich verausgabe. Also weiter. Die Mitfahrer wurden dann auch etwas lockerer, und es gab die üblichen Sprüche. „Ey, erst überholen und dann Picknick machen oder was?“ Und so manches etwas entspannteres Gespräch. Die Verbissenheit ließ insgesamt etwas nach, was mich in der 2. Radrunde auch 9 Minuten kostete. Sehr fair waren auch die Wettkampfrichter, die bei der Masse an Startern nicht gleich mit der groben Kelle gegen im Pulk fahrende Athleten vorgingen, wie ich es aus Frankfurt kannte. Ich bin eigentlich fairer Sportsmann, und finde die Windschattenfahrerei in manchen Wettkämpfen sehr nervig, aber es ließ sich einfach oft nicht vermeiden das man Auffuhr beim Überholen. Der Hammer waren allerdings auch die Zuschauer, fast überall waren Menschen, alle feuern einen an und flippen aus, wenn man zurückwinkt und zeigt, dass man sich freut. Sehr geil auch die „Biermeile“ in Eckersmühlen in der in einer langen Kurve ein Haufen Biertische aufgebaut sind, alles voll mit Menschen die feiern. Da hat man eigentlich nur wenig Lust weiter zu fahren… Den Solarer Berg hab ich oben schon beschrieben, dem ist nix mehr hinzuzufügen… Auch die schönsten 180 Kilometer gehen bekanntlich mal zu Ende, in meinem Falle nach 5:12 Stunden und dem Schnitt von 34,6 km/h, was ich nach einem ungläubigen Blick auch meinen Tacho festgestellt habe, als das Rennen durch war. Sehr abrupt kam die Wechselzone, so dass ich erst mit einem Fuß aus dem Schuh war, und schon halten musste. Muss ziemlich blöd ausgesehen haben. Schnell aus der Bindung, aus dem Schuh, und selbigen wieder ans Pedal geklickt, und weiter gings in T2. <font size="150">Lauf</font>Die Wechselzonen sind in Roth Top organisiert, immer ist jemand da zum Helfen, egal wie viel los war. Der Wechsel selbst ging recht fix, doch war nun ein Toilettenbesuch dran. Ich hab beschlossen, mit meinem Laufsensor zu laufen, seit ich festgestellt habe, dass ich meist viel zu schnell losrenne, und auch dieser Plan ist aufgegangen. Ich hatte mir für den Marathon ein Tempo von 5 Minuten pro Kilometer vorgenommen, was einem zuerst sehr langsam vorkommt wenn man voll mit Adrenalin aus der Wechselzone gerannt kommt und dann von den Zuschauermassen ordentlich angetrieben wird, aber ich hielt mich dran. Mich haben glaube ich alle überholt, die mit mir in der Wechselzone waren, alle sind losgerannt wie die angestochenen Ochsen… Das Tempo konnte ich gut halten, es war nicht zu heiß für mich, und ich fühlte mich gut. Nach ein paar Kilometern waren sie wieder da, meine Supporter, und es ist so ein guter Anblick, bekannte Gesichter zu sehen bei solchen Strapazen. [attachment=6]Noch Läufts.JPG[/attachment] Mein Plan schien aufzugehen, bis Kilometer 13 war ich fast auf die Sekunde genau im Soll, wie an der Schnur gezogen. Mit nem Puls von um die 160 lag ich auch genau richtig. Dann allerdings kam die Quittung, mein Infekt meldete sich mit Macht zurück wollte wohl zeigen, wer hier Herr im Hause ist. Zuerst wurde mir kalt (Ich glaube, es waren so 29 Grad Temperatur), ich bekam eine Gänsehaut, mein Magen fühlte sich schlecht an und von jetzt auf gleich wurde der Stecker gezogen. Das erste Mal in einem Wettkampf musste ich stehen bleiben und gehen, und diese Entspannung nahm meine Lunge zum Anlass, erst mal einen ordentlichen Hustenanfall zu markieren… Noch nie vorher bin ich gegangen oder stehen geblieben, immer aus Angst, ich komme nicht weiter. Einmal Aufgegeben, immer aufgegeben dachte ich. Aber es ging nix mehr. Nach kurzer Pause dann weiter spaziert, so ein bis zwei Kilometer… Dort saßen am Wendepunkt dann ein paar nette Leute, die mich ansprachen, ein älteres Ehepaar mit Freunden glaube ich, ob ich was zu trinken wolle, sie hätten noch Weizen da…Neue Beine wären mir lieber, antwortete ich, aber zur Not würde es auch die Apfelschorle tun, die dort auch stand. Gesagt, getan, die Schorle geext und noch ein paar Worte gewechselt. Wie geil ist das denn bitte??? Ich glaube, die hätten auch noch ein komplettes Mittagessen springen lassen, wenn ich nett gefragt hätte. Auch so etwas hab ich noch nicht erlebt. Irgendwann konnte ich wieder laufen, und zu meinem eigenen Erstaunen auch wieder etwas Tempo machen. Ein paar mal war ich wieder auf meinem ursprünglichen Tempo, aber im Großen und Ganzen musste ich immer wieder Gehpausen einlegen und konnte so das Tempo nicht mehr hochhalten. Immerhin bin ich die letzten 12 Kilometer nahezu durch gejoggt. Die Endzeit von 4:03 sieht ja noch ganz gut aus, aber ich wollte ne halbe Stunde schneller sein… Die Laufstrecke selbst ist in Roth sehr schön, viel Schatten, durchaus Abwechslung fürs Auge, und auch hier überall Zuschauer zum Anfeuern. Der Hammer. Der Kurs führte dieses Jahr noch durch Roth, eine kleine Änderung wegen der 950 Jahrfeier der Ortschaft. Gute Stimmung auch hier, aber richtig schön wurde es dann wieder im Zielbereich. Hier war mal wieder die Hölle los, alle meine Leute waren da, und man konnte sich richtig schön feiern lassen. So ein Zieleinlauf nach diesen Anstrengungen, dem Training und allen Entbehrungen der Vorbereitung ist einfach unbeschreiblich schön. Immer wieder. [attachment=5]Red Carpet Ride.JPG[/attachment] [attachment=4]Finish.JPG[/attachment] <font size="150">Später</font>Leider mussten Pflegi und Pride schnell wieder los, so dass nicht viel Zeit zum Quatschen blieb. Ich bin dann mit der Walküre noch ein wenig im Zielbereich unterwegs gewesen, um zu feiern und zum gucken. Ich finde es immer nett, noch an der Strecke zu stehen, und die Athleten, die spät reinkommen anzufeuern. Als wir nach meinem Zieleinlauf später die Wagen geholt haben bin ich mit dem Finishershirt und der Medaille ein ganzes Stück an der Laufstrecke unterwegs gewesen und hab noch Läufer angefeuert, und es war krass, wie die sich gefreut haben und Sprüche gemacht, das ein Finisher hier unterwegs ist. Ist wohl eher ungewöhnlich. Schön auf der Langdistanz ist auch, dass es üblich ist, das die Profis in den Zielbereich zurück kommen, um die letzten Athleten zu empfangen. So bin ich dann auch noch zu meinem Foto mit Chrissie Wellington gekommen, die seit drei Jahren alle Rekorde der Damen (zumeist ihre eigenen) pulverisiert. [attachment=3]Chrissie.JPG[/attachment] <font size="150">Fazit</font>Würde meine Jahresplanung 2011 nicht anders aussehen, ich würde mich sofort wieder hier Anmelden. Super Stimmung, nette Leute, Top Organisation und schöne Strecken. Insgesamt nicht das Hochglanzprodukt wie in Frankfurt, aber mir hat es deutlich besser Gefallen. Ich kann nur jedem empfehlen hier zu starten, wenn er/sie nicht unbedingt das Ironmanprestige braucht. Zur Entspanntheit der Rother passte übrigens auch mein Malheur des Tages: Ich schaffte es, morgens vorm Schwimmstart bei der Anreise meinen Wagen auf der Parkplatzwiese so fest zu fahren, das gar nix mehr ging und ich voll im Weg stand. So was braucht man nun wirklich nicht, und es sorgt auch nicht grade dafür, das die Anspannung nachlässt…Ich bin dann zu mehreren Offiziellen, aber die waren alle ganz entspannt und meinten, ich solle den Wagen doch einfach so stehen lassen, Abends würds dann sicher klappen…Sehr lustig. [attachment=2]Überbleibsel.JPG[/attachment] [attachment=1]CaBas.JPG[/attachment] [attachment=0]Das Schönste danach....JPG[/attachment] Loki für caba.de