Sonntag, 1.Mai, Tag der Arbeit - jawoll, so muss es sein ... die Halbironman-Distanz von Barberino di Mugello in der Toskana steht an. Samstag Anreise und Schlemmerabendessen im ristorante Le Capannine - man gönnt sich ja sonst nichts ... dafür nehme ich auch eine wenig erholsame Nacht in Kauf ("vollgefressen", wer kann da schon gut schlafen?). Aber morgens heißt es unwiderruflich um 6.30 raus aus den Federn. Kurzer Blick aus dem Fenster sagt mir, es hat geregnet und hat grad erst aufgehört. Frühstück fällt karg aus, der Bauch ist noch zu voll. Aber ein paar Gänge aufs Klo wie vor jedem Wettkampf schaffen wieder Platz, trotzdem, viel darf ich nicht essen, die Aufregung verknotet Magen und Gedärme … Der Gedanken auf das Bevorstehende … Das Studium der Wertungsliste vom vergangenen Jahr war etwas niederschmetternd. So wie ich mich einschätze werde ich da so unter den letzten Sportlern das Ziel sehen … Naja, sehen wir es als etwas längere Trainingseinheit. Aber vor Zielschluss wäre ich schon gerne angekommen … Einrichten der Wechselzone um 8.00, ich schaffe es kaum bis halbe Neune meine Sachen ordentlich ums Rad zu deponieren, wie ist das noch am sinnvollsten? – zu lange her ist der letzte Tria her. Meine Nebenfrau, Gundula, macht mich zusätzlich noch nervös: 10 Minuten vor Schließung der Wechselzone merkt sie, dass ihre Laufsocken nicht da sind. „Amore“ schreit sie nach ihrer besseren Hälfte um den Autoschlüssel . 3 Minuten vor Schluss ist sie wieder da – mit Socken und kramt weiter. Nach der Feststellung, dass ihre Laufhose auch noch fehlt … Inzwischen zwänge ich mich in meinen Neo. Ist der beim letzten Wasserkontakt eingegangen??? Und zusätzliche Löcher hat er auch bekommen. Motten im Schrank??? Ein besonders großes in der rechten Achselhöhle beunruhigt mich doch etwas … da wird doch ganz schön Wasser reinfließen … und das bei angekündigten 13,5° … Einschwimmen? Neeeee, keine Sekunde länger im See, bei deeeeeen Temperaturen. Die 20 Frauen drängen sich am Ufer, ich kann mich kaum auf das Briefing konzentrieren so fürchte ich mich vor dem kalten Wasser. Das ist ein Fehler, wie ich bald merken werde. Geschwommen wird ein Dreieck. Die Bojen rechts lassen, und am Ende an einer links vorbei um nicht disqualifiziert zu werden. Start – endlich- ohne weiter zu denken werfe ich mich in die kalten Fluten. Hände, Gesicht, Füße – da ist es eisig. Ich komme irgendwie nicht in Schwung. Mehr wie Zweieratmung geht nicht und sehen tu ich garnichts. Aber vor mir sind ja die anderen Frauen … noch … denn kommt mir so vor als wäre ich nur noch alleine auf weiter Flur- äh Fluten. Auch vor mir ist nichts mehr zu sehen … ich schwimme im Zickzack und muss dauernd wieder den Kopf weit rausstrecken, um nicht ganz die Richtung zu verlieren, von gleichmäßigen Zügen keine Spur. Nach einer gefühlten Ewigkeit habe ich es ohne zu ertrinken geschafft. Als Vorvorvorvorletzte steige ich aus dem See. Der Wechsel verläuft recht schleppend, die Hände spüre ich nicht mehr und gefühllos einen Neo ausziehen und die Wettkampfkleidung an – das probiert mal … (ich hatte mich dazu entschlossen, mich ganz trocken anzuziehen, um mir zu meinem Husten nicht was Schlimmeres einzufangen ). Neben mir steht eine Kampfrichterin als ich splitterfasernackt versuche in meinen Vereinsbody zu schlüpfen. Als ich fast drin bin, informiert sie mich über meine Verwarnung … ???? Ja, ganz ausziehen darf man sich nicht! Schnell das Rad gegriffen, auf den Radschuhen einen halben Kilometer aus der Wechselzone rausgeholpert und aufs Rad geschwungen. Es geht nach nicht mal einem Kilometer flott zur Sache: das versprochene „falso piano“ von 4-6% - wo das wohl ist? Aber es wird nach 5 km noch steiler. 3 fast 12%ige Rampen führen Richtung Passo della Futa. Und dann wieder steil abwärts zum See – aufpassen ist angesagt, da die Straße noch nass ist. Und dann kommt der nächste Aufstieg. Auf drei Runden kommen fast 1800 Höhenmeter … Das geht ganz schön in die Beine. Wieder in der Wechselzone ruft mein Mann mir zu, dass ich die zweite Frau in meiner Altersklasse sei. ??? Kann ich kaum glauben. Das Laufen lässt sich ganz nicht schlecht an. Etwa 5:10 – 5:20 laufe ich den Kilometer auf der ersten 7-Km-Runde. Auch in der zweiten Runde fühle ich mich noch recht gut – ist eigentlich verwunderlich, da ich in den letzten Monaten nicht mehr wie 50 Kilometer gelaufen bin (wenn überhaupt) – aber mein Knie ist noch immer nicht hundertprozentig nach den beiden Stürzen im vergangenen Jahr. Ende der zweiten Runde werde ich informiert, dass eine Konkurrentin in der letzten Runde 2 Minuten aufgeholt hat, und schätzungsweise noch 500m hinter mir ist. Der plötzliche Stress bewirkt bei mir jedoch Gegenteiliges: ich werde langsamer, mein Schritt wird schleppend, meine Füße platschen nur noch so dahin. Und es kommt, wie es kommen musste: Bei Kilometer 17 etwa zieht sie vorbei, die Paula. Und ist in kürzester Zeit hinter der nächsten Kurve verschwunden. So, das wars. Jetzt muss ich nur noch schauen, dass ich meinen jetzigen Platz erhalten kann … Die letzten 3 Kilometer scheinen endlos zu sein und gnadenlos brennt nun die Sonne vom Himmel. Ich denke an meine nächsten Ziele … und bezweifle, dass ich die doppelte Distanz schaffen kann, den Norseman im August … unmöglich, kaputt wie ich bin – mehr wäre unmöglich. Aber dann ist es doch erreicht: das Ziel. Kurz darauf sind die Gedanken wieder positiv – der nächste Wettkampf kann kommen … Und: ich habe einen Podestplatz und bin ganz knapp am zweiten Platz AK entlanggeschrammt … und von allen 20 Frauen bin ich 11. – bin doch sehr zufrieden!!! Und: die Paula ist 10 Minuten schneller geschwommen, dafür war ich auf den 90 Radkilometern ganze 15 Minuten schneller. Die ersten beiden Laufrunden haben wir fast gleichschnell absolviert und dann hatte meine Konkurrentin einfach mehr Mumm in den Knochen um mich noch 3 Kilometer abzuhängen. Was wäre gewesen, wenn ich den ersten Wechsel schneller gestaltet hätte???? Wenn, wenn, wenn … lieber nicht zurückdenken, besser vorausschauen … der Norseman kann kommen – aber es wird verdammt hart werden … siehe auch Anhang mit Bildern!