Bericht vom Tabarnak 2014 (schiffsdiesel)
Ich schreibe aus meiner Sicht wie alles drumherum gelaufen ist. Im supporten von Ultrasportlern habe ich einige Erfahrung. Trotzdem hatte ich Respekt vor der gestellten Aufgabe. Die Jungs sollten „nur“ schön pedalieren. Ich wollte „nur“ schön betreuen und es an möglichst nichts mangeln lassen. Mein Plan sah vor, Suppe und Kaffee während der Nacht schön heiss zu servieren und sich nach dem allgemeinen Befinden zu erkundigen, eventuelle Pannen zu beheben, Probleme zu beseitigen und das Weiterkommen zu sichern. Und das hat auch alles ganz gut geklappt.
Wir haben uns bei Untergang am Sonntag so um 18:00 Uhr getroffen. Dann gabs erstmal die versprochene Glutamat-Bombe vom China-Imbiss zur Stärkung. Kneifen galt nicht. Dazu alkfreies Weizen. Lecker! Fast pünktlich um 20:00 Uhr sind die 3 Musketiere losgefahren. Ich hab noch bis ca. 21:15 Uhr mit CLD geschnackt und bin dann Richtung St. Vith gedüst. Dort habe ich auf dem Marktplatz vor dem Bahnhof auf die Jungs gewartet. U-gäng rief kurz vor Ankunft an und ich legte los mit dem Erhitzen der Speisen. Alle waren richtig gut drauf. Ich meine, Sidejoe hat da schon irgendwas mit „Knie....vor ein paar Wochen....echt doof...“ oder sowas ähnliches erwähnt. Keiner ist jedenfalls so richtig drauf eingegangen. Wir einigten uns darauf niemals zu sagen, dass wir gut in der Zeit lägen. Das fördert nämlich genau das Gegenteil zutage. So aßen die Jungs die heisse Suppe und tranken den Kaffee aus der KICKASS-Kanne (ausser Sidejoe) und alles war gut.
Der nächste Stop sollte irgendwo in Charleville sein. Jetzt fing für mich das Navigierproblem an. Untergang hatte zwar den Track auf seinem E-trex gespeichert aber er hatte leider keine Frankreichkarte aufgespielt. Soll heißen: man sieht zwar die Punkte wo die Strecke langgeht aber keine Umgebung auf dem Bildschirm. Das Navi aus meinem Auto braucht aber irgendeine Adresse, will immer irgendeine Strasse eingegeben haben, am besten noch ne Hausnummer. Nur nach Charleville irgendwo geht eben nicht. Also tippte ich irgendwas in der Stadt ein. Nach einiger Zeit auf den menschenleeren belgischen Strassen bekam ich ein Gefühl davon, wie es wohl sei, dort jetzt mit dem Rad zu fahren. Die Temperatur war auch noch nicht zu kalt, befand ich nach einer Pinkelpause. Das werden die Fahrer vielleicht noch revidieren, denn sie waren ja schon länger unterwegs. Ich hoffte auf eine Autobahn oder Schnellstrasse für mich um möglichst schnell dort in Charleville zu sein und etwas schlafen zu können. Pustekuchen. Es ging ständig nur über schlecht geteerte und unbeleuchtete Landstrassen und durch verlassene Dörfer ohne erkennbare Spuren von Leben. Dann kam ich in eine Polizeikontrolle. Der Beamte sprach mich auf deutsch an und fragte mich, „ob ich denn auch nichts getrunken hätte, heute abend?“ Ich sagte nur: „Garnichts“ und er winkte mich einfach weiter. Dann änderte ich etwas später die Einstellungen in meinem Autonavi von „kürzeste Strecke“ in „schnellste Strecke“. Das Ergebnis war eine um 30km längere Route. Kurzfristiger Frust kam auf. Zum Glück hatte ich einen alten Autoatlas von Europa eingesteckt. Also hielt ich an einem gut beleuchteten Kreisverkehr an und suchte die entsprechende Seite raus, wo ich denn nun eigentlich war. Das dauerte gute 20 min. Dann sah ich, dass es in Begien scheinbar garkeine schnellen Querverbindungen gibt. Jedenfalls nichts, was mich irgendwie schneller durch diese Gegend von rechts nach links befördert hätte. Half ja alles nix, also weiterfahren.
Nach gefühlten 3 Stunden kam ich völlig matt in Charleville um ca. 3:00 Uhr nachts an. Untergang und ich hatten uns am Bahnhof verabredet, weil man den immer irgendwie findet und weil er in jeder Stadt gut ausgeschildert ist. Das war aber in meinem nun schon gut übermüdeten Zustand und mit meiner leichten Motivationslücke zu aufwändig für mich. Außerdem wollte ich nicht vor einem so großen Bahnhof im Auto schlafen. Die Frage war also, wie sollte ich mich möglichst an der Strecke positionieren um die Fahrer nicht zu verpassen und sie keinen Umweg fahren? Da hab ich improvisiert. Das noch nicht benutzte, da ohne Karte sinnlose E-trex von U-gäng rausgekramt und auf Satelitenempfang gewartet. Da sah ich zwar den Track und die Trackpunkte, aber keine Strassen. Irgendwo vor dem Rathaus musste die Route vorbeigehen. Das war bei großer Auflösung (80mtr.) deutlich und unverkennbar. Also ab auf den Parkplatz vor dem Rathaus und erstmal ne Mütze voll Schlaf. Vorher schickte ich Alex noch eine SMS wo ich mich genau befand. (Km 210) Und ohne die Kehrmaschine, die nach ca. 30min. auftauchte und alles sehr ordentlich sauber machte, wäre das auch echt ein bisschen erholsam gewesen. Um ca. 6:30 Uhr wurde ich dann mit Rückenschmerzen von alleine oder gerade dadurch wach und kochte mir erstmal einen Kaffee hinter dem Golf. Einige haben doof geguckt deswegen.
Dann kam schon der Anruf von Alex, dass sie nur noch 5km bis zu mir hätten. Und dann waren sie auch ganz schön schnell da. Nach kurzer Zeit am VP klagte Sidejoe über sein Knie. Er verstellte seine Sattelposition etwas und drehte ein paar Runden. Logischerweise hatte jeder von uns eine andere Idee dazu, was nun zu tun sei. Leider verhalf das alles nicht zum gewünschten Erfolg, sodaß er schweren Herzens entschied die Fahrt dort zu beenden. Mit derlei Schmerzen noch weitere 240 Kilometer abzuspulen wäre unverantwortlich gewesen. Dann hätte er sich evtl. stur weitergequält und wäre sicher nach der Tour für sehr lange Zeit ausgefallen. Also Schluss. Und gut für mich. Jetzt hatte ich endlich einen, der mich wachhielt. Und das tat Sidejoe perfekt. Wir quatschten die ganze Zeit angeregt und ab und zu kippte er wieder eine seiner zahllosen Dosen MonsterDrink in sich hinein und es ging munter weiter. Jetzt konnten wir gemeinsam über die belgischen Strassen motzen und uns wundern, wo denn da Menschen wohnen. Dann schweiften wir ab zu kulinarischen Gelüsten.
Der Hunger kam durch. Sidejoe erzählte was von riesigen Hähnchen aus den französischen Supermärkten und ausserdem gab er eine alte Geschichte von einem Frankreichurlaub zum Besten und wir haben viel gelacht. Schön heiss vom Grill und essfertig zum Mitnehmen sollen diese Poulets sein. So eine wollten wir dann auch unbedingt haben. Vorher haben wir die beiden Jungs aber noch mal inflagranti irgendwo aufgelesen. Da fährt man so nichtsahnend durch Frankreich auf der Suche nach einem Supermarchè und trifft plötzlich 2 Fahrer aus Deutschland. Sidejoe hat gefilmt während wir uns von hinten mit dem Golf rangeschlichen haben. Irgendwann haben sie uns dann aber doch bemerkt und wir hielten kurz an für einen Schnack. Nach dem Schnack brauchten wir zwei aber unbedingt einen Snack. Und da war er plötzlich vor uns: ein riesiger Supermarkt mit allem drin und drum. Sidejoe kam freudestrahlend mit einer Poulet im Arm zurück und ich war entzückt dieses Monster von einem Hähnchen halb zu verspeisen. Ausserdem hatte er kleine FouFous mitgebracht, also richtig kulinarisch das Ganze. Ein Tisch war leider keiner zur Hand, drum schmiss ich einen Euro in den Schlitz eines Einkaufwagens und legte diesen quer neben das Auto. Einkaufswagen sind klasse Behelfstische mit integriertem Fett-Abtropfgitter! Die Poulet war erstklassig. Die FouFou
s waren Top. Sidejoe rauchte sich eine und kippte sein MonsterZeugs runter und alles war wieder in bester Ordnung mit uns, die Fahrt konnte weitergehen.
Als nächstes verabredeten wir uns in Bery au Bac. Untergang wollte unter keinen Umständen auf der N2 fahren und so sollten wir uns am Ostende von Bery au Bac treffen. Sehr witzig diese Ansage, da keiner einen Kompass hatte. Als Sidejoe und ich da eintrafen hatten wir das Kaff in ca. 5min. schon umrundet und es gab nur eine wirkliche Möglichkeit wo wir sie treffen könnten. An einem alten Panzerdenkmal an einem riesigen Kreisverkehr. Dort machten wir einen Powernapp. Eigentlich nur ich, denn Sidejoe hatte soviel von der MonsterSchlotzi intus, dass an Schlaf bei ihm nicht zu denken war. Dann kam nach elendiger Warterei und faulem in-der-Sonne-rumbrutzeln der ersehnte Anruf von Alex. Sie seien schon in Laon und wir treffen uns erst wieder in Crepy. Wieder als Treffpunkt der Bahnhof. Also sind wir losgedüst. Coole Sache das, haben wir gedacht. Nur noch dieser VP und dann ab ins Hotel, ne schöne heisse Dusche, frische Klamotten und ab dafür. In Crepy hab ich mir eine volle Stunde Schlaf auf der Isomatte im Schatten gegönnt. Sidejoe hat aufs Auto aufgepasst, es war ja auch sein Rad draufgeschnallt. Ausserdem konnte er ja eh nicht pennen wegen seiner MonsterDrinkÜberdosis. Gut für mich. Die Stunde hat sehr gut getan.
Als Untergang und Pflegefall dann angekurbelt kamen, konnte man ihnen die Erschöpfung deutlich ansehen. Aber sie haben sich nicht beschwert, mit keiner Silbe. Nur die Speicher auffüllen, nochmal die Trikottaschen vollstopfen, Wasser in die Trinkflaschen füllen und nach ca. 15-20 Minuten waren sie wieder unterwegs. Stark. Dann kam für mich die härteste Prüfung der gesamten Tour. Im Berufsverkehr nach Paris reinzufahren und das Hotel zu finden, indem wir eingebucht waren. Es war der Hass. Jeder Einheimische hat gemerkt, dass wir keine echten Pariser sind und uns das auch schön spüren lassen. Erstmal fett hupen, dann mit Vollgas auf uns draufhalten und im letzten Moment bremsen oder abdrehen. Ach ja, und zwischendrin musste ich noch das Navi ablesen, wo es denn langgeht. Sidejoe war in dem Moment leider keine echte Hilfe, da er vollends mit dem Filmen der großartigen Kulisse beschäftigt war. Wahrscheinlich war ich in dem Moment sein verzweifelt fluchender Hauptdarsteller, der krampfhaft versuchte, sich irgendwie durch dieses Chaos von Verkehr voran zu kämpfen. Ich habs gehasst von Anfang an und tue es immer noch. Irgendwann kamen wir aber tatsächlich immer näher an unseren Zielpunkt und sahen auch nette Mitmenschen am Wegesrand, die komische Substanzen auf provisorischen Kochgeräten zubereiteten. Sehr einladend, das Ganze.
Sidejoe schauderte es, ich musste mich konzentrieren.
Dann waren wir tatsächlich angekommen. Aber wir waren noch nicht mit dem Auto im Hotel! Dafür haben wir erst Abitur auf französisch gemacht. Das IBIS war schon ziemlich gut mit Sicherheitspersonal ausgestattet und überall waren normale Kameras und Klingelschranken mit Kameras und Aufzüge mit Kameras und so weiter. Irgendwann war auch das geschafft und wir hatten ein Zimmer. Geschätzte 12 Quadratmeter groß, aber das war erstmal völlig egal. Erstmal heiss duschen war die Devise. Dann rief U-gäng an, während ich gerade eingeseift war. Wie passend. Ausserdem merkte ich an mir eine verzögerte Reaktion. Ich musste mich erstmal irgendwie sammeln, mein Gehirn war nicht bereit für Denkaufgaben. Folge vom Schlafmangel. Kenn ich ja, ist aber trotzdem immer doof. 10 Minuten später habe ich ihn zurückgerufen und wir haben uns unter dem Eiffelturm verabredet. Dann kam die nächste Paris-Prüfung für mich. Das Auto wieder aus der Garage zu holen und die 12 Kilometer zum Turm heile zu überstehen.
Das war mehr als Hass, das war die Hölle.
Irgendwann sagte das Navi: siebte (7.!!!) Ausfahrt Kreisverkehr. Sidejoe lachte sich darüber voll kaputt und schmiss wieder seine GoPro an um mich dabei zu filmen, wie ich das wohl überleben wollte. Er kommentierte auch noch schön dabei. Da war ich dann doch kurzfristig etwas ungehalten und tat das auch sehr lauthals kund. Nachdem wir tatsächlich relativ nah am Eiffelturm einen kostenlosen Parkplatz fanden, haben wir uns alles in Ruhe angesehen. Um 22:00 Uhr wurde der Turm mit Blitzlichtern beleuchtet, was sehr eindrucksvoll war. Und kurz danach waren unsere beiden verbliebenen Randonneure tatsächlich kaputt aber gesund und glücklich in Paris angekommen. Es folgte eine ausgiebige Fotosession mit allen erdenklichen Posen. Mit Siegerzigarre und Fahrrad hochgehalten, ohne Fahrrad ohne Zigarre, mit 1 Fahrrad, mit 2 Rädern. Mit Turm, ohne Turm, alle vier, nur die beiden. Ach herrlich. Dann wurden schnell die Bikes auf dem Golf verzurrt und ab ins Hotel zurückgefahren. Unten an der Pforte konnte man Pizza bestellen die aufs Zimmer geliefert wurde. Also wurde 4 mal eine Doppel-Pizza bestellt. Nachdem wir die auch fast aufgegessen hatten, kam nur noch die Müdigkeit über uns und jeder schlief so ein, wie er gerade dalag. Ich erinnere mich nur noch ans Zudecken und an den Anruf von irgendwem bei irgendwem morgens um 8:20 Uhr.
Da haben wir ausgecheckt, unseren Kram gepackt und sind wieder nach Hause gedüst. Die Rückfahrt war unspektakulär.
Mit sportlichem Gruß, der Diesel
(ich hoffe, alles chronologisch korrekt wiedergegeben zu haben. Da ich mir unterwegs keine Notizen gemacht habe, kann der Text an manchen Stellen unrund sein. Danke für euer Fairständnis)