PBP 2015 16.-20. August
Mein Untergang hat bereits 5 Jahre von diesem Event geträumt und nun sollte es endlich losgehen...
Ich hätte gut noch ein paar Jahre warten können. Es war für mich einfach unvorstellbar, wie wir das durchhalten sollten.
Mir machte die mit Sicherheit kommende Müdigkeit die größten Sorgen. Was wenn ich einmal total müde bin, benötige ich dann eine komplette Nacht zum Schlafen???
Abgesehen davon, dass die Muskeln und Knie wohl irgendwann den Geist aufgeben würden.
Aber ich konnte meinen Untergang ja auch nicht versetzten und ohne Stoki fietsen lassen, schließlich sind wir nur im Team"richtig"gut...also versuchen, was geht!
Die Anreise verlief zum Glück unproblematisch und unsere Unterkunft stellte sich - obwohl günstig - als sehr schön heraus. Unterwegs trafen wir bereits an einer Raststätte die ersten Randonneure. Wir hielten ein kurzes Schwätzchen mit ihnen und sollten den Dreien während des Rennens noch mehrfach begegnen. Komisch, irgendwie waren wir bereits bei einigen deutschen Randonneuren bekannt... die 2 mit dem Tandem!?
Samstag haben wir erstmal so lange wie möglich geschlafen und sind dann zum Velodrom gefahren. Dort wurde uns schnell klar, es ist ein Weltevent... überall Räder, Räder, Fietse, Fietse, Bikes, Bikes,...
Teilnehmer aus der ganzen Welt (66 Nationen). Untergang war im Paradies und konnte sich kaum retten vor ausgefallenen, seltenen und besonderen Rädern, er wußte zu fast allen etwas zu berichten... Pflegi kann sich bestimmt vorstellen, wie glücklich Untergang war.
Einfach unglaublich, die Räder durften mit in die Geschäfte und ins Einkaufszentrum, sogar in den Supermarkt, das störte niemanden. Überall Radler aus der ganzen Welt, Asien, Australien, Nord- und Südamerika, Afrika, Neuseeland und natürlich Europa.
Wie eine Olympiade, welche auch nur alle 4 Jahre stattfindet.
Um 17:00 Uhr fuhren wir zum Treffen der deutschen Randonneure, welche in diesem Jahr die größte Anzahl Teilnehmer der ausländischen Nationen stellten. Ca. 524, davon 29 Frauen, der älteste 84 Jahre, der jüngste 19 Jahre und 3 Brüder aus Bayern auf einem Tridem, welches wir leider nicht in Aktion erleben durften.
Dort trafen wir auf einige bekannte Gesichter, von den vorherigen Brevets und es war ein fröhliches Wiedersehen. Natürlich trafen wir dort auch endlich unseren Jambo!
Meine argen Bedenken wurden zwar nicht weniger, aber meine Laune besserte sich - Untergang war schon reichlich genervt von mir...zu Recht! Nun war auch für mich klar, wir fietsen mal drauflos und gucken, wie weit wir kommen. Sind ja nur 360 Hügel a ca. 30 HM und 1230 km. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wußte, die Hügel hielten sich nicht an den errechneten Durchschnitt und so sollten es ein paar zusätzliche HM (ca. 11.000 und ca. 1250 km) werden. Es gab kleine Hügel, gute Hügel, gemeine Hügel und ganz gemeine Hügel! Hier bekam man mehr für sein Geld!
Anschließend ging es zum Radcheck, das war natürlich kein Problem und ging auch recht schnell, da wir einen günstigen Zeitkorridor zugeteilt bekommen hatten.
Noch mehr bekannte Gesichter und Schwätzchen...alle sind nervös und tauschen ihre Taktiken aus... wir hatten keine und das war auch gut so! Lumi und Co. hatten wir auch bereits getroffen, sie schienen mir total cool und entspannt.
Nach unserem Henkersmahl mit Jambo ging es zum letzten Mal für die nächsten Tage ab ins Bett und eine ganze Nacht schlafen..
Endlich Sonntag... Untergang wollte noch in Ruhe Paris genießen, ich war aber viel zu nervös und aufgeregt, um es in Ruhe genießen zu können.
Einige Randonneure radelten noch recht entspannt durch die Gegend - unglaublich, als würden sie nicht noch lange genug im Sattel sitzen müssen... Es sollen sogar ein paar mit dem Rad von Zuhause angereist sein. Sind doch alle IRRE!!!
Wir dachten auch an die CaBaNauTeN, welche beim Mauerweglauf waren und hofften, dass sie inzwischen alle gut durchgekommen waren.
Im Velodrom angekommen parkten wir unser Rad, nahmen noch die letzten Vorbereitungen vor und gingen zum Essen. Dies war jedoch bereits mächtig geräubert. Na gut, dann halt noch mit Bekannten geplaudert und neue Teilnehmer kennen gelernt, welche man erstaunlicher Weise bis einschließlich Donnerstag auch immer wieder treffen sollte.
Mit unserem geplantem Nickerchen vor dem Start wurde es nichts mehr, da wir viel zu aufgeregt waren und die Zeit dann doch recht schnell vorbei war.
Ein Bekannter von unserem ersten Brevet letzten Jahres hatte Untergang verraten, dass die Briten -wenn sie unterwegs ein Tandem treffen - das Daisy Bell (Bicycle built for two) singen, darauf freute ich mich riesig.
Dann guckten wir uns die ersten Starts an und schon ging es für uns zum eigenen Start. Da wir mit den Spezialrädern starteten, waren wir recht früh 17:15 Uhr dran und Untergang konnte sich mal wieder kaum retten vor lauter Tandems (es sollten insgesamt ca. 70 gemeldet sein). Irgendwie kam es mir vor wie eine kleine Tandem Familie...
1,2,3 und los, ab durch den Bahnhof an Leuten mit lautem Jubel und Applaus...ups da bekam man Pippi in den Augen.
Die ersten 120 km sollten recht Tandem freundlich sein. Es ging tatsächlich und dann wurde es langsam welliger, immer rauf und runter und dann etwas steiler rauf und runter...immer weiter
Die erste Verpflegungsgelle sollte bei km 140 sein -sehr schön und alles was man braucht ist vorhanden.
Schnell zwei Kaffee organisiert, Trinkflaschen gefüllt und weiter.
Schon bald und viel zu früh überkam mich bereits die Müdigkeit und ich befand mich in einem sehr tiefen Tief. Zum Glück hat Untergang mir das nicht so ganz geglaubt und er meinte ich sähe gar nicht so aus. Da es ihm besser ging, radelten wir weiter bis zur ersten Kontrolle. Dort hieß es über die Zeitmatte, Stempel abholen, anschließend essen und trinken bzw. Trinkflaschen füllen. Ruck Zuck war ca. 1 Stunde für die Pause weg...
Immer wieder trafen wir auf Lumi & Co bzw. auch Jambo, das tat echt gut und auch die anderen bekannten Gesichter waren immer wieder gut zu sehen.
In der Nacht hatte ich echt mit der Müdigkeit und vor allem der Vorstellung, der unendlichen Strecke mit den unzähligen Hügeln zu kämpfen. Aber wo es hoch ging, folgte auch wieder eine Abfahrt und so kämpften wir uns von Kontrolle zu Kontrolle. Zum Glück sollten die Abstände zu den nächsten Kontrollen nicht mehr so lange sein.
Mein extremstes Tief hatte ich langsam überwunden, aber die Müdigkeit war noch da und die erste Schlafpause noch sooo weit. Mir stellte sich die Frage, wann uns die ersten bereits auf dem Rückweg entgegenkommen sollten.
Endlich hatte ich mich der Herausforderung angenommen und dachte mir, einfach immer weiter trampeln, körperlich ist alles gut und die Müdigkeit geht doch eigentlich auch noch. Alle kämpfen und außerdem kommt uns keiner holen, wenn wir nicht mehr wollen.
Eins der vielen Highlights waren die Menschen an der Strecke, welche ihre privaten Verpflegungsstände aufgebaut hatten, die Teilnehmer mit Kaffee und Kuchen verwöhnten und ihren Schlaf für uns opferten. Auch die Kinder durften die Nächte an der Strecke verbringen und die Radler anfeuern. Manche Dörfer waren wunderschön geschmückt. Überall hingen Räder geschmückt und beleuchtet. Sogar an der Kirche hing ein Rad mit einer Puppe als Pfarrer.
Bald fuhren wir auch noch durch die Partnerstadt von Nickenich (Eifel), da wurden Erinnerungen an unseren Früh/Füchschenlauf wach, wo wir beim Füchschen gleich mit Bier vom Nickenicher Elferrat versorgt wurden. Über was man sich bei so einer langen Ausfahrt freuen kann...
So langsam kamen wir weiter und die Kilometer schrumpften langsam aber stetig. Hügel für Hügel, immer schön essen, trinken, pinkeln, Hintern eincremen und Zähne putzen bzw. Hände waschen (welch ein Luxus)!
Irgendwann erreichten wir dann auch die Kontrolle bei km 525 und wir durften schlafen, denn bis zur nächsten Kontrolle bei 613 km war es zu weit und in der Nacht wurde es sehr feucht und kalt, da wollten wir nicht im Straßengraben pennen.
Zum Glück bekamen wir gleich eine Pritsche und konnten uns in die Turnhalle - mit unzähligen anderen- legen. Geplant waren 3 Stunden. Richtig geschlafen hatten wir nicht, aber zumindest ruhig gelegen und etwas erholt.
Dann ging es ausgerechnet in der kältesten Zeit wieder raus aufs Rad - nicht sehr clever, denn schon bald mussten wir eine weitere kurze Pause einlegen. Zwei Bushäuschen aus Holz mit Bänken gehörten uns, noch schnell in die Rettungsdecke eingewickelt und 20 Min. Augen zu bzw. Untergang geschnarcht. Dann ging es wieder. In dieser Etappe galt es den längsten Anstieg zweimal zu bewältigen (Hin- und Rückweg). Da dieser aber lang und nicht zu steil war, ging es erstaunlich gut und zudem gab es die lieben Menschen an der Strecke mit Kaffee und Kuchen.
Die ersten kamen uns bereits längst vor der Schlafpause entgegen und waren auf dem Rückweg, aber uns würde es irgendwann auch so gehen und dann würden die noch zu fahrenden km weniger, als die bereits hinter uns liegenden. Das sollte enorm motivieren.
Nach Brest zogen sich die km und es gab noch ein paar knackige Anstiege zu bewältigen, aber irgendwann erreichten wir die Brücke mit Blick aufs Wasser - Hammer!!!! Das war ein Ausblick und zu wissen, dass man bis dort geradelt ist, das hat sich doch auch irgendwie gelohnt!!!
Die Kontrolle war noch etwas hin, aber schließlich irgendwann auch erreicht. So ging es endlich auf den Rückweg und ich dachte mir, komm Untergang, wir müssen das zu Ende bringen, noch mal mache ich das nicht!
Leider ärgerte uns der Antrieb mal wieder und wir mussten erneut die Synchron- und Antriebskette auflegen. Zum Glück hatte ich es während der Fahrt bereits mehrfach geübt und es jedes Mal recht gut hinbekommen. Da macht mir der Untergang am Rad mal nichts vor!
Die Kurbeln wurden auch zum 1000. mal angezogen und wir hofften, dass sie nicht brechen würden.
Bald (man verliert das Zeitgefühl total) hatten wir den langen Anstieg und den höchsten Berg zum zweiten Mal bewältigt und die Motivation wurde immer besser. Kam da sogar Spaß auf?! Von Spaß war doch NIE die Rede?!
Man sah immer mehr Randonneure auf Bänken und in den Straßengräben liegen und zum Teil ähnelten sie Zombies.
Daher gab es auch manche, die in die Gräben gefahren sind, zum Glück meist ohne schwere Folgen.
Nun waren wir in der Situation, dass uns Fahrer, welche noch auf dem Hinweg waren entgegenkamen und für den Kopf war das echt gut, die Radler taten mir aber leid.
Wir kämpften uns tapfer weiter und trampelten unermüdlich in einem angenehmen Tempo, schließlich mussten wir noch lange durchhalten. Lumi und Co. ging es wohl ähnlich. Der Hintern meldete sich langsam, musste aber einsehen, dass es kein Erbarmen für ihn gab.
Beid den Abfahrten waren wir die Könige und zogen einen ganzen Troß an Radlern in unserem Windschatten hinter uns her und auch in der Ebene war das so. Später konnten die meisten unseren Windschatten bei den Abfahrten nicht mehr halten. Dafür waren wir bergauf die Untergänge... Obwohl soooo laaahm waren wir gar nicht. Als Tandem bekommt man leider keinen Windschatten gespendet, aber dafür darf man viel davon spenden und manche haben sich herzlich dafür bedankt.
Das Daisy Lied wollte keiner für mich singen. Untergang hat mal ein paar Briten gefragt und die haben es dann auch gleich munter gedudelt, aber das sollte das einzige Mal bleiben.
Uns wunderte, dass die Beine, Knie, Arme, Rücken und was der Körper noch so hergibt noch keinen Ärger machte und das sollte zum Glück bis zum Ende so bleiben.
Unterwegs trafen wir die erstaunlichsten Radler mit uralten 3 Gang Stahlrädern und passender alter Kleidung. Auch Klappräder waren dabei, 3-Rad Tandems und 3 Räder. Ein Asiate mit schlechtem MTB in Jeans und Umhängetasche, als führe er zur Schule oder Uni. Respekt, da fehlen mir echt die Worte, wie die das machen.
Es gab aber auch leider einige Stürze und Teilnehmer die nicht mehr aufrecht gehen konnten. Ich glaube sie mussten nach jedem Stopp wie ein Playmobilmännchen aufs Rad gehoben werden. Aber sie gaben nicht auf. Einige schliefen auch bereits auf ihrem Rad bzw. waren nicht mehr ansprechbar. Zum Glück mussten wir all das nicht erleben, haben aber auch immer sehr auf Gesundheit, Sicherheit und Verpflegung geachtet. Da wurde uns Bewußt, das es uns doch eigentlich ganz gut geht.
Einen kleinen Umweg ließen wir uns nicht nehmen, als wir uns einmal verfahren haben, das kostete uns ca. 1/2 Stunde.
Irgendwie ging es dann immer weiter und mit einer weiteren längeren Schlafpause von 3 Stunden (da habe ich endlich tief und fest geschnarcht) bzw. noch eine von 1 Stunde und ein paar 20 Min Nickerchen auf Wiesen und im EC Hotel kamen wir dem Ziel immer näher. Ich war mir langsam sicher, dass wir es tatsächlich schaffen sollten. Wir achteten aber immer auf Sicherheit und so sang ich meinem armen Untergang in der Nacht schreckliche Lieder vor, damit er auf keinen Fall einem Sekundenschlaf zum Opfer fiel. Kleiner Trick, dann ist er auch etwas schneller gefietst, damit das Elend (mein Gesang) endlich ein Ende hat.
Wir wollten auf keinen Fall einen Sturz bzw. Unfall riskieren und einen weiteren unnötigen Umweg wollten wir uns auch ersparen. Auf den Plattfuß hatten wir vergeblich gewartet und waren auch nicht traurig, dass wir keinen bekamen.
Pflegi - aber wenn, dann wäre er oben gewesen - ganz sicher!
Es ist unglaublich wie die Leute geradezu vom Rad fallen und dann an Ort und Stelle schlafen, bis sie wieder wach werden und erneut aufs Rad klettern. Wir haben unsere Pausen mit Bedacht gewählt, damit wir nicht in der kältesten Zeit irgendwo im Graben pennen mussten und zudem haben wir auch immer die Cut-Off Zeiten im Auge behalten. So sind wir die letzte Nacht durchgetrampelt, damit wir noch etwas Puffer haben und es zum Schluß nicht hektisch wird.
Irgendwann sagte Untergang "Nun ist der Ritt schon bald - in ein paar Stunden- vorbei"....aber wir sehnten uns nach dem Ziel!
Einige km haben sich unendlich gezogen, die letzten 10 km gingen jedoch schon fast zu schnell vorbei und dann hatten wir es auch tatsächlich geschafft!!!
Mit ein paar Tränen vor Glück, Erleichterung und Stolz haben wir unser Tandem im Bike Park geparkt und sind in den Velodrom um unseren letzten Stempel zu holen.
FINISH!!!!!! 86:17 Stunden (Untergäng und CLD - im/als Team sind wir "richtig" gut!!!
Nach 2000 mal bon route bzw. bon Courage, 1500 mal Kurbeln nachziehen, 500 mal Hintern cremen, ein paarmal Kette auflegen, 360 Hügel hoch und runter, viele viele Pinkelpausen, ein paar Nickerchen, 2 x Schlafen, 14 Kontrollen und 2 zusätzliche Verpflegungsstellen, einige km auf rauem Asphalt mit fiesen Schlaglöchern und vielen Futterpausen (wer Untergang kennt -weiß es ist eine Herausforderung ihn über diese Zeit und Streck voll gefüttert zu bekommen) und und und
Es war eine super Veranstaltung - ein richtiges Weltereignis mit aller besten Bedingungen und super Organisation.
Nach ein paar Stunden schlaf und Dusche im Hotel sind wir dann wieder ins Velodrom zur Party und haben die meisten alten und neuen Leidensgenossen wiedergetroffen und den Tag ausklingen lassen.
Kurz noch zum Zombie-Einkauf in den Supermarkt, wo alles anfing nur die Randonneure sahen nun ziemlich gezeichnet und mitgenommen aus. Den Rädern, die vor dem Supermarkt bzw. im Einkaufzenter standen sah man die Strapazen nicht an.
Es braucht wohl eine Weile um alle Eindrücke zu sortieren und zu verarbeiten, aber eins ist sicher mein Untergang hat mich heil durch den Kurs gebracht und ich bin AFFEN stolz auf ihn!
Pflegi: ich war mir während des Rennens sicher, dass ich das nie wieder mache, auch nicht für einen Pflegefall...
Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher....
P.S. Zum Eifelturm sind wir dann mit der Metro gefahren und nicht geradelt, dass hat Untergang versprochen, aber ich glaube, wenn wir eine ordentliches Schloß dabei gehabt hätten, hätte ich doch radeln müssen:)