Weiter geht es: Die Strecke zwischen VP 1 und 2 ( bei km 44!) war hart- es zog sich lang hin und ca bei km 30 bekam ich den Einbruch, den ich kenne und von dem ich weiß , dass er vorbei geht. Mir kamen Diesels Worte in den Kopf:es wird nicht immer schlimmer. Ich dachte nur: Diesel lügt! Es wird grade immer schlimmer! ... und dann fielen mir seine anderen weisen Worte ein- wenn du im Loch bist, hör auf zu graben :thumbs: Vielen Dank noch mal an dieser Stelle! Und wo ich grade dabei bin: großen Dank an Justin-Hubertus der mir spät abends und früh morgens aufmunternde Nachrichten geschickt hat :)
Auf alle Fälle hatte ich die diversen Körpermitteilungen gut im Griff.
Wir kamen wahnsinnig gut voran, überholten diverse Leute. Und das Gute bei der hohen Frequenz- man hatte immer jemanden in Sichtweite vor sich, an dem man überprüfen konnte, ob man die Karte wirklich richtig gelesen hat. In der Nacht wurde die Strecke zwischenendurch recht abenteuerlich, fiese Wurzeln, schmale Singletrails....aber nix, was man durch fast elegantes Ausgleichtänzeln nicht hätte wieder auffangen können ;) Ich hab mich allerdings gewundert, dass es nicht reihenweise die niedergestreckt hat, die per Handy navigieren und die ganze Zeit aufs Display starrten :shock:
Zwischendurch wurde ich nahezu euphorisch, es machte einfach so viel Spass, ich war innerlich und äußerlich ganz auf der Strecke . Ich dachte ja vorher, dass ich an allen möglichen Dingen rum denken würde, aber ich blieb einfach im Fluss, nur zwischendurch blobbte ein Gedanke hoch und ging auch wieder weg. Herrlich :) Inzwischen hatte ich die Marathon Distanz im Sack, das fühlte sich schon mal geil an.
Zum VP 2 ging es dann ans Eingemachte, ich musste mich dem Anblick meiner Füsse stellen ( und jenes winzige Holzteilchen entfernen).Schluck, egal, das geht auch wieder weg..... ich war mittlerweile wieder allein unterwegs, was mir grade ganz recht war. Ñachdem ich mich klamottentechnisch aufgerüstet hatte ( Regenjacke, Halstuch, ganz dünne Handschuhe - kleiner Tip, es gibt von Steeds Unterzieh Handschuhe eigentlich unter Reithandschuhe vorgesehen- wärmen, atmen, nehmen keinen Platz weg), trat ich die nächste Etappe an. Man bleibt nicht lange alleine, wenn man mit der Karte umgehen kann ;) Ich hatte ziemlich schnell einen Jungspund an der Hacke, der total verzweifelt war weil er seine Mitläuferin in verlegt hatte... der Typ ( alleiniger Träger von Rucksack, Handy, Portemonnaie und Hotelschlüssel) hat es tatsächlich geschafft, seine Bekannte auf dem VP zu verlieren und ist einfach losgegangen in der Annahme, dass sie vorgegangen sei :irre: er hätte sie ausrufen lassen und wäre nach fünf Min gegangen ( halloooo, am Klo stand man 10 min an!).Noch nicht mal eine Kopflampe hatte sie. Naja, ich suchte ihm die Nummer des Supports zwecks Nachrichtenübermittlung raus und habe die beiden später wiedergetroffen, es ging also gut aus.
Ich war in der fabelhaften Position, eine "Häng dich halt ran, vorausgesetzt du kannst mithalten"- Haltung zu entwickeln und es fühlte sich verdammt gut an :grins:
Ab vier Uhr morgens wurde es ganz langsam hell, ich war immer noch 'in der Strecke' und machte mir keinen Kopf um ein Endziel. Das änderte sich dann leider ca 5km vor dem nächsten VP ( bei KM 59).... ich musste vor einem längeren Waldstück dringend noch mal die Socken optimieren und liess mich bei einem Ordner auf dem Bordstein nieder... flacher Fußboden wäre ganz blöd gewesen, ich hätte einen Kran zum Aufstehen gebraucht.Dort hörte ich, dass der Lauf abgebrochen werden sollte :shock: Ich fragte nach und bekam ein "Guck dir deine Füsse doch an"!!!!! Na und?? Natürlich waren die total verblast, aber damit störe ich doch keinen!!! Es stellte sich dann heraus, dass ganz viele Läufer die Aussage "es ist für jeden machbar und dein Kopf entscheidet" allzu wörtlich genommen haben, schlecht ausgerüstet und verpflegt waren und dann umgekippt sind, wie die Fliegen. Das nahm so zu, dass die Polizei die Veranstaltung abgebrochen hat. Später hörte ich ( und war nach dem Vorlauf nicht sooo überrascht), dass es gar nicht genug Sanis und Ordner gab, dass die Rettungskräfte nicht nachkamen und die Krankenhäuser von der Großveranstaltung gar nicht informiert waren, sich dementsprechend nicht drauf einstellen konnten :kopfwand:
Die letzten Km bis zum VP habe ich geschäumt vor Wut!! Jeden Typen, der zwischendurch rumjammerte, hätte ich direkt pfählen können!! Schließlich war für mich in dem Moment jeder von ihnen stellvertretend für die, die mir den Lauf versaut hatten. Dann überlegte ich, das ich ja noch 10 km auf eigene Rechnung gehen könnte, dann hätte ich 70km auf der Uhr und mein Tempo war inzwischen wieder so, dass das in 1 1/2 h erledigt gewesen wäre. Dann beim VP ( die Ordner waren übertrieben leutseelig in der Ansprache, beglückwünschten uns zum gelungenen Finish....ich WOLLTE noch gar nicht fertig sein!!!! Erst da bekamen die anderen das mit, ich war mit der Info sehr sparsam, warum hätte ich jedem die letzten Km versauen sollen...
Tja, und es wurde auch schnell klar, dass ich in den Shuttleservice steigen MUSSTE, um da wegzukommen... ich dachte kurz, ich könne ja auch zu dem einen SBAHNHOF zurückgehen, das wären mit Augenzudrücken noch mal 10km gewesen...aber da fuhr an einem Pfingstsonntag morgen nix! :axt:
Ok, dann halt so.... ich hätte mir eine Urkunde ausdrucken lassen können, aber auf das Papier stehe ich ja eh nicht so. Also in den Bus, Stehplatz ( da hatten meine Füsse richtig Spaß dran). Egal.
Was noch positiv war- ein netter einheimischer Mitläufer konnte mir sowohl sagen, wie ich nun zum Hbf Berlin käme, als auch mich durch das unbekannte Tarifsystem schleusen. Im HBF bekam ich schnell einen Zug nach Hannover ( ich war beweglich genug für ganz schnelles Umsteigen :grins: ). Tja, und dann brauchte ich noch ca vier Stunden bis nach Hause .... habe mich aber die Hälfte der Zeit gut unterhalten.
Fazit, nachdem sich alles etwas gesetzt hat:
Ich hatte wie erwartet zu viel Wasser und Nahrung mitgeschleppt - das war diesmal gut für meine Sicherheit das nächste Mal bin ich routinierter und weiß, wieviel ich brauche.Die Nahrung war gut gewählt ( Nussmix , Äpfel, veg.Bifi, Müsliriegel, ein 0,25l Fläschchen Gemüsesaft, eigene Eier). Von den Gels hatte ich keine benutzt, die wären auf den letzten km zum Einsatz gekommen, aber zwei reichen dann.Ausserdrm hätten 1,5 l Wasser gereicht, eine Flasche hatte ich unnötigerweise mitgeschleppt
Mein Blasen Management muss besser werden!! Wirklich jeder Socke vorher probetragen, sofort reagieren, wenn es sich schlecht anfühlt! Und wenn jemand eine Theorie hat, warum die Compeed plötzlich nicht mehr geklebt haben gerne her damit.
Ich habe heute keine Schmerzen :hurra:D.h., auch wenn das Arschlochbein zwischendurch gezickt hat ( ich versuche dann immer, Körperhaltung und -Spannung zu modifizieren ), nimmt es mir solche Aktionen nicht übel. Evtl Gehinke kommt jetzt wg Blasenschonhaltung, aufpassen.
Es ist für alles gesorgt :) Sogar in dem Moment, als ich mir für die leere Saftflasche einen Mülleimer gewünscht habe, fand ich zwanzig Sekunden danach einen.
Ich bin fit genug gewesen, die siebzig Km zu bewältigen d.h., mein Training war gut :smile:
Ich werde diese siebzig dieses Jahr irgendwann machen.
Und ich darf mich stolz erneut Ultraschleiche nennen! Darum werde ich auch das T-Shirt tragen, obwohl ich es den Veranstaltern gerne in sämtliche Körperöffnungen gesteckt hätte.
Ich konnte anderen auf der Strecke nützlich sein wie auch profitieren
Vielen lieben Dank noch mal für eure Mantras, Tipps und euer Zutrauen :herz: