<font size="150"><font color="#BF0000">KILL 50</font></font><font color="#000080">Anfang November, milde Temperaturen und ein klarer Himmel mit einem fast vollen Mond!</font> :lol: :lol: :lol: So hatte sich Der Verfolgte die Bedingungen für den härtesten Ultra-Trail des Jahres nicht vorgestellt.Bilder von der Strecke gibt's leider nicht, aber glaubt mir, selbst bei solchem Wetter ist der KILL kein Sonntagsspaziergang. Meine Klamotten sahen schlimmer aus als nach dem Tough Guy, nur das sie nicht ganz so gestunken haben.Jeder Starter bekam eine "Hundemarke" damit auch im Falle eines plötzlichen Wintereinbruchs die sterblichen Überreste der Verschollenen nach der Schneeschmelze im Frühjahr identifiziert werden könnten. Wer aufgäbe und sich von der Strecke einsammeln ließe, dem sollte die untere Hälft der Marke abgebrochen werden. Der Verfolgte malte uns vor dem Start noch genüsslich aus, wie er sich ein ganzes Jahr an den glänzenden Beweisen des Scheiterns sich überschätzender Freizeitsportler weiden werde. Um es schon vorweg zu nehmen: Viel Grund zur (Schaden-)Freude gab es nicht. Von den 32 Frauen und Männern die schließlich an den Start gingen, waren mehr als die Hälfte schon beim HILL50 oder beim STUNT100 dabei gewesen und hatte schon eine ungefähre Vorstellung davon, was sie erwarten sollte. 80 Kilometer durch den Hildesheimer Wald. Es gab auf der ganzen Strecke nur eine Verpflegungsstelle, die zweimal passiert werden musste. Am Sportplatz von Sibbesse waren zu diesem Zweck zwei Zelte aufgebaut, wo die Läufer sich mit Getränken und aus selbst mitgebrachten Dropbags versorgen konnten. Neben den üblichen Verdächtigen waren nun auch noch drei Dänen am Start, die sich die zwei Qualifikationspunkte für den UTMB holen wollten. Als ein Favorit galt Hansi Köhler aus Sibbesse, der noch vor wenigen Wochen einen beeindruckenden Sieg beim Heide-Elbe-Ultra abgeliefert hatte und bereits seinen Siegeswillen geäußert hatte. Seit HILL und STUNT bin ich in der Region Hildesheim auch nicht mehr ganz unbekannt, sodass auch ich als einer der potenziellen Sieger gehandelt wurde. Und dann waren da noch die Dänen … Die Sonne geht unter, der Mond kommt heraus und die Uhr zeigt 1800 als der Countdown auf Null geht. Wir rennen los. Anders als beim STUNT, wo wir gemütlich antrabten, geht’s nun gleich zur Sache, 80 Kilometer sind für gestanden Ultras doch eher eine Sprintdistanz. Ganz vorne laufen zwei Dänen, Ole und Thomas. Keiner scheint die beiden wirklich auf der Rechnung gehabt zu haben, aber ich will mir nicht schon zu Beginn die Butter vom Brot nehmen lassen und hänge mir ran. Hansi scheint das eher gelassen zu nehmen und läuft konsequent sein Tempo. Dank der Reflektormarkierungen ist die Orientierung auch für uns unkundige einfach und nach wenigen Kilometern haben wir bereits einen komfortablen Vorsprung. Nur einmal kommt eine kleine Verfolgergruppe kurz heran, als wir einen Abzweig verpassen. In der Dreiergruppe wechseln wir und mit der Führungsarbeit ab. An den Steigungen versuche ich schon mal etwas Tempo rauszunehmen, was aber nur dazu führt, dass ich hinterher laufe. Ich bin mir gar nicht sicher, wie lange ich noch mit der Geschwindigkeit weiterlaufen kann. Dann haut es mich auch noch zweimal kurz hintereinander von den Beinen. Vielleicht war ich doch zu optimistisch, als ich mich entschieden hatte keine Trailschuhe anzuziehen, sondern lieber die leichten Lunar Trainer zu laufen. Nach circa eineinhalb Stunden werden meine Mitläufer merklich ruhiger und nach 2 Stunden wird auch das Tempo an den Steigungen deutlich niedriger. Die Höhenmeter fordern offensichtlich ihren Tribut. Jetzt mach ich die Pace und ein paar Kilometer vor dem Sportplatz von Sibbesse fallen Ole und Thomas zurück. Die beiden haben offensichtlich die Berge unterschätzt. Ich habe auch ganz schön Kraft lassen müssen, aber verglichen mit dem STUNT ist es ja nur noch ein Katzensprung bis in Ziel. Die nächsten 40 Kilometer stehen unter dem Titel: „die Einsamkeit des Landstreckenläufers“. Es wechseln fast „abgehobene“ Momente im Mondschein auf leichten Waldwegen mit dem Kampf über schlammige Trails. Mein Fluchen hört im wahrsten Sinne des Wortes keine Sau. Hauptsache, ich behalte immer die Markierungen im Auge. Den Sportplatz von Sibbesse erreiche ich nach 31 Kilometern. Erst im Licht der Zeltlaternen sehe ich, dass meine neuen Tights am Oberschenkel und am Knie von den Stürzen zerfetzt sind. Ich fülle meinen Camelbak wieder auf, dann geht es auf die rund 25 Kilometer der „Sibbesser Runde“. Allein mit dem Mond, den Bäumen und den Bergen, für Stunden. Plötzlich kommt mir mitten im Wald ein Auto entgegen – oder halluziniere ich schon? Die vier im Quadrat angeordneten Scheinwerfer stellen sich als Stirn- und Handlampen, getragen von zwei Läufern heraus. Sie wundern sich schon seit Kilometern, warum sie keine der Reflektoren mehr sehen, mit denen die ganze Strecke gekennzeichnet ist. Ich rate den beiden zu einer 180°-Drehung, und siehe dar, wie kleine Sterne funkelt es an den Baumstämmen. Ich empfehle mich und komme bald darauf wieder nach Sibbesse. Ich hab nicht den blassesten Schimmer wie groß mein Vorsprung noch ist. In den letzte zwei Stunden hab ich ganz schön Federn lassen müssen. Viel ist in den Beinen nicht mehr drin, reicht das noch um den Vorsprung nach hause zu laufen. Das Kernstück der letzten Etappe ist ein schwerer Trail auf dem Kamm des Tosmarbergs. Der Aufstieg ist lang und zieht sich wie Kaugummi, ich muss immer wieder gehen. Ich blick mich alle paar Minuten um, ob die Lampe eines Verfolgers in Sicht kommt. Wenn überhaupt, traue ich nur Hansi zu mich jetzt noch einzuholen. Kurz bevor ich den Kammweg erreiche sehe ich den ersten Lichtschein hinter mir. Vor mir liegen noch mindestens 12 Kilometer und mein Verfolger ist weniger als einen halben Kilometer hinter mir. Es ist verblüffend, welche Reserven sich mit einem Mal abrufen lassen. Gerade habe ich mich noch mit letzter Kraft vorangeschleppt jetzt laufe ich wieder zügig dem Kamm entlang. Der Weg wird immer schmaler und schwerer. Auch wenn ich dafür eigentlich die falschen Schuhe habe, sehe ich das als meinen Vorteil. Auf schweren Trails kriegt mich keiner – auch nicht nach 70 Kilometern. Als ich aus dem Wald herauskomme liegen noch 4 bis 5 Kilometer vor mir und das Licht in meinem Nacken ist nicht näher gekommen. Wenn ich nur das Tempo halten kann. Der Weg geht am Bergrücken entlang, offenes Gelände. Zum ersten Mal kann ich einigermaßen abschätzen, wie groß mein Vorsprung noch ist. Fast 500 Meter, eigentlich kaum aufzuholen. Trotzdem ziehe ich das Tempo noch mal an, und es läuft, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Reserven sind fast am Ende, aber ich laufe wieder locker. Die Lichter von Ochtersum, dem Zielort, erscheinen vor mir, unterhalb des Berghanges, kaum mehr als 2 Kilometer noch. Fast hätte ich den kleinen Abzweig, scharf links übersehen – nur jetzt nicht noch verlaufen! Ochtersum, 2 Uhr 10Minuten, es geht bergab in den Ort hinein, immer schön den kleinen Reflektoren nach. Dann komme ich an die Hauptstraße, soviel Licht wie hier an der Kreuzung habe ich seit acht Stunden nicht mehr gesehen. Bei dem Flutlicht habe ich keine Chance mit meiner Funzel irgendwelche Reflektoren auszumachen. Wo ist nur die Streckenmarkierung? Wo ist der Sportplatz? Jede Entscheidung ist besser als keine Entscheidung, nach dem Motto nehme ich den ersten Weg geradeaus und suche nach einer Markierung. Trotz nachlassender Beleuchtung kann ich nichts finden, also wieder zurück und noch mal auf die Karte gucken. Wieder an der Hauptstraße, die Karte hilft mir auch nicht wirklich. Eigentlich müsste ich die Stelle doch kennen, vor acht Stunden sind wir genau hier entlanggelaufen, warum hab ich nur nicht richtig aufgepasst? Ich könnte mir in die Wade beißen, da stehe ich vor dem Aldi in Ochtersum, nur ein paar hundert Meter vor dem Ziel und weiß den Weg nicht. Meine Verzweiflung hält nicht lange an, mein Verfolger betritt die Szene. Ich weiß nicht welches Gefühl überwiegt, als ich Hansi erkenne, die Erleichterung, weil Hansi als Sibbesser den Weg natürlich kennt, oder die Enttäuschung, nun doch nicht als einziger und erster ins Ziel zu laufen. Zwei Minuten später stehen wir vor der Turnhalle „Der Verfolgte“ macht und die Tür auf und schaut uns an, als wolle er sagen: „was wollt ihr denn hier?“, dann ringt er sich aber doch dazu durch, uns zu gratulieren. Eigentlich hätte ich Cheerleaders, Blumengirlanden und eine Konfettiparade erwartet, aber dann war es doch nur eine warme Dusche und ein kühles Bier was ich brauchte um glücklich zu sein. Captn