Hallo Ihr Lieben! Ich habe mich lange nicht mehr hören lassen, aber aufgrund vermehrter Nachfrage ist es jetzt mal wieder soweit...:) Ich gelobe Besserung, und versuche mich in Zukunft ein wenig öfter zu melden, mit kürzeren Berichten aus dem Kabuler Alltag. Ich bin jetzt seit über zwei Monaten hier und vieles hat sich ein wenig eingeschliffen. Das wichtigste ist, das ich seit ca. 6 Woche hier Arbeit gefunden habe. Mir wurde gleich in der ersten Woche meiner Anwesenheit die "Deutschen Brüder" als Ansprechpartner empfohlen. Dieses sind zwei evangelische Brüder aus einer Gemeinschaft in Deutschland, die sowohl in Afghanistan als auch in Afrika Kliniken aufgebaut haben, mit dem festen Ziel den Menschen zu helfen und möglichst umsonst zu behandeln. Ursprünglich zu dritt bauten sie hier vor über 30 Jahren zwei Kliniken auf mit den Schwerpunkten Epilepsie, Laischmaniose, Tuberkulose sowie Lepra. Des weiteren werden kleinere aber durchaus komplizierte chirurgische Eingriffe vorgenommen, was für mich interessant ist. Beide Brüder, Jac und Schorsch sind mit Ihren weit über 30 Jahren Anwesenheit echte Kenner der afghanischen Geschichte und der Kultur. Ihre "Insidergeschichten" könnten wahrscheinlich Bücher füllen, zumal sie in guten wie in schlechten Zeiten immer hier in Afghanistan waren. Nur für wenige Tage bis Wochen wurden sie in Kriegszeiten evakuiert. Nach einem ersten Treffen mit Bruder Jac mit einem "Probearbeitstag" haben wir uns dazu entschlossen, das ich erst mal hier weiter arbeiten werde. Fachlich kann ich hier nicht viel einbringen, da ich in Deutschland viel zu spezialisiert gearbeitet habe. Nichts desto trotz ist es interessant für mich hier neues zu lernen und mit Afghanen zusammen zu arbeiten. Da es hier für das Personal nicht allzu viel zu verdienen gibt und viele Ärzte unentgeltlich mitarbeiten, außerhalb ihrer normalen Arbeitszeit, unterscheidet sich das ganze Haus völlig von der ansonsten völlig durchkorrumpierten Krankenhauslandschaft in Afghanistan. Es herrscht eine sehr familiäre Atmosphäre, viele arbeiten seit über 20 Jahren in diesem Haus. Und Kriegszeiten, in denen die Belegschaft 6 Wochen in der Klinik bleiben musste weil es zu gefährlich war das Gelände zu verlassen, schweißen vermutlich zusammen... Bruder Schorsch ist gelernter Schlosser, und betreibt eine große Werkstatt als Ausbildungsbetrieb und Reparaturmöglichkeit für Medizingerät. Diese Werkstatt ist sehr beeindruckend und sehr gut ausgerüstet, auch hat Bruder Schorsch eine Menge Ideen, die das Leben der einfachen Bevölkerung hier deutlich verbessern helfen. Bis vor zwei Jahren gab es noch den Leiter des Ausbildungsbetriebes, dieser wurde jedoch auf einem Ausflug von Taliban entführt und erschossen. Wie auch immer, ich habe an diese Mail einen "Rundbrief" angehängt, geschrieben von den Brüdern über Ihren Alltag in Kabul, welcher jetzt auch mein Alltag ist. Es ist sehr interessant zu lesen. [attachment=19]CT-Rundbrief_2013-2.pdf[/attachment] Mein Arbeitsalltag sieht im Moment so aus, das ich neben Dr. Ahmadi in der Epilepsieambulanz sitze und versuche Dari zu lernen oder etwas fachliches, und ansonsten im OP ne gute Figur zu machen. Das klappt einigermaßen, aber ich denke ich brauche noch nen Job, um meine Intensivfähigkeiten nicht ganz zu verlieren. Mal schauen was noch kommt. Ansonsten schlage ich mich derzeit mit Krankenversicherungen rum, was gar nicht so einfach ist, wenn man Deutschland erst mal verlassen hat, und versuche ein Langzeitvisum zu bekommen. Auch das ist schwierig, ewige Rennerei und keine konkreten Auskünfte, wer wann was braucht. Meine Arbeitserlaubnis habe ich zumindest mittlerweile und der Rest klappt hoffentlich auch noch irgendwie. Anbei noch ein paar Bilder, wie es hier in der Klinik so aussieht: [attachment=18]P1060470.jpg[/attachment] Bruder Jac vor seiner Klinik [attachment=17]P1060474.jpg[/attachment] Eine von zwei Klinikstandpunkten, "mein" Arbeitsplatz. Links OP Bereich, Mitte TBC Bereich und rechts Apotheke, Epilepsie und Büros. [attachment=16]P1060475.jpg[/attachment] TBC Infotafel Persisch. [attachment=15]P1060477.jpg[/attachment] Und das ganze als Piktogramm für die Analphabeten. [attachment=14]P1060476.jpg[/attachment] Eingansbereich/ Empfang [attachment=13]P1060479.jpg[/attachment] Der Mann der hier im Baum rumklettert ist schon etwas älter...Zu was einen schlechter Fernsehempfang so alles bringt. [attachment=12]P1060503.jpg[/attachment] [attachment=11]P1060464.jpg[/attachment] [attachment=10]P1060507.jpg[/attachment] Auch hier gibts keine Klinik ohne Baustelle. [attachment=9]P1060568.jpg[/attachment] OP nach der Arbeit. [attachment=8]P1060501.jpg[/attachment] Dr. Abdullah, Medizinischer Direktor. [attachment=7]P1060502.jpg[/attachment] Dr. Ahmadi, eigentlich zuständig für EEG und Epilepsie, ist aber auch Zahnarzt und Freizeitchirurg. [attachment=6]P1060593.jpg[/attachment] Und ich bei dem Versuch, möglichst wenig im Weg zu stehen. [attachment=5]P1060564.jpg[/attachment] [attachment=4]P1060565.jpg[/attachment] [attachment=3]P1060567.jpg[/attachment] Handchirurgie mit C-Bogen. [attachment=2]P1060569.jpg[/attachment] Und das Notfallequipment...Ich hoffe, ich werde es nie ernsthaft brauchen. Die meisten OP´s (oftmals Versorgung großflächiger Druckgeschwüre bei Querschnittgelähmten oder aber Handchirurgische Eingriffe) werden in lokaler Narkose gemacht, teilweise mit Ketamineinsatz iv, aber keine Vollnarkosen, das gibt das Equipment nicht her. Dafür das alles recht einfach ist, gibt es sehr wenig Probleme mit Infektionen oder ähnlichem...Ich glaube, die Leute hier können etwas mehr vertragen als wir Deutschen. [attachment=1]P1060596.jpg[/attachment] OP-Plan [attachment=0]P1060597.jpg[/attachment] Gruppenbild beim Frühstück mit Dame. Diese Klinik ist übrigens nicht repräsentativ für die Krankenhäuser hier. Es gibt durchaus Medizin auf hohem Niveau, aber die will eben auch bezahlt werden. Es gibt viele Privatkliniken, die den Leuten das Geld aus der Tasche ziehen, teilweise werden Krankheiten behandelt, die gar nicht da sind, nur um kassieren zu können. Ich habe hier schon viel an krassen Geschichten gehört. Die Qualität der Medikamente lässt sehr zu wünschen übrig, das meiste kommt mit wenig Wirkstoff irgendwo aus Indien oder Pakistan. Und bei all dem fühle ich mich hier wohl. Hier wird für den Menschen gearbeitet, ohne finanzielle Interessen. Auch die OP´s sind umsonst, und hier war ich selbst Zeuge einiger krasser Geschichten. Ein Mann kam zu uns, im fiel bei der Arbeit eine Glasplatte auf das Handgelenk. Sein Arzt röntge, untersuchte, operierte und kassierte mit der Diagnose, das nichts kaputt ist. Nur seine Finger konnte der Arme Mann nicht mehr bewegen. Nach ein paar Woche kam er zu uns, Diagnose war die komplette Durchtrennung sämtlicher Sehnen seiner Hand bis auf den Daumen...Unglaublich. So etwas nach Wochen zu operieren ist sehr schwierig, weil alles verkürzt und verwachsen ist.Aber wir haben es hinbekommen, langsam kann er wieder seine Finger bewegen. Aber das ist Alltag hier, und bei weitem nur die Spitze des Eisberges.. So, genug geplappert. Das muss erst mal reichen fürs erste, wie immer gilt, wenn jemand mehr wissen möchte einfach melden. Ich freue mich immer über Post. Viele Grüße aus Kabul, Loki